von Bedeutung » Freitag, 26. April 2024, 17:53:56
Beleg
https://www.sueddeutsche.de/bayern/nuer ... duced=true
3. Absatz relevant, hier gesamter Artikel.
Der Privatdetektiv und die Spur nach Osteuropa
Lebt Alexandra R. nach ihrem Verschwinden am 9. Dezember 2022 doch noch? Ein Zeuge will sie gesehen haben. An seiner Glaubwürdigkeit kommen vor dem Landgericht Nürnberg allerdings Zweifel auf.
Von Max Weinhold
Nürnberg – Mehr als vier Stunden hat der Lebensgefährte der hochschwanger verschwundenen Alexandra R., zugleich der Vater ihres ungeborenen Kindes, vor eineinhalb Wochen als Zeuge am Landgericht Nürnberg-Fürth ausgesagt. Von seiner akademischen Karriere hat er berichtet, von seiner Tennisleidenschaft, von Geschäftsterminen mit dem Angeklagten Dejan B. und der Beziehung zu ihr, der "Alex". Er hat erzählt, wie er sie als ihr Makler kennengelernt habe, wie sie sich angenähert hätten, zusammengekommen seien, sich auf ihr gemeinsames Kind gefreut hätten.
Am Freitag tritt der 39-Jährige wieder in den Zeugenstand. Er wirkt etwas gefasster, das T-Shirt unter seinem Jackett zeigt diesmal nicht das Ultraschallbild des ungeborenen Kindes, sondern einen Dinosaurier. Er hat zwar schon viel gesprochen - so viel, dass ihn der Vorsitzende Richter Gregor Zaar mehrmals bittet, ohne allzu große Exkurse zu antworten. Aber gesagt hat er noch nicht alles. Es sind Fragen geblieben.
Als Richter Zaar Zweifel anmeldet, ob die Frage eines Verteidigers nicht allzu sehr die Intimsphäre des Mannes tangiere, hebt der die Stimme: Wenn jemand - wie der Lebensgefährte - im Zeugenstand aussage, er habe seine Traumfrau - Alexandra R. - gefunden und im Laufe der Beziehung bis zu ihrem Verschwinden in 27 Chats Prostituierte kontaktiere, dann sei die Frage nach den Beweggründen und der Glaubwürdigkeit des Begriffs Traumfrau doch unerlässlich. Zaar lenkt ein, der Lebensgefährte muss antworten: "Ich fand es einfach geil, die anzuschreiben und nach Bildern zu fragen", sagt er. Ob er sich auch mit einer Frau getroffen habe, wisse er nicht mehr.
Stattdessen betont er, wie er es schon bei seinem ersten Auftritt getan hat, die Harmonie in der Beziehung zwischen ihm und Alexandra R. Streit habe es nie gegeben und überhaupt nur eine einzige ernst zu nehmende Diskussion, als sie eines ihrer Häuser nicht verkaufen wollte, weil ihr der gebotene Preis nicht genügt habe. Er dagegen habe es anders gesehen. Dabei handelte sich um jenes Haus, in dem Dejan B. und Ugur T. die Nürnbergerin am 9. Dezember 2022 im Streit um Geld aus Immobiliengeschäften in ihre Gewalt gebracht haben sollen, bevor sie Alexandra R. der Staatsanwaltschaft zufolge töteten. Ihre Leiche hat die Polizei bis heute nicht gefunden, Dejan B. und Ugur T. sind aufgrund erdrückender Indizien trotzdem unter anderem wegen Mordes angeklagt.
Im Zeugenstand erneuert Alexandra R.s Partner denn auch die Vorwürfe gegen die Angeklagten, insbesondere gegen B., den er als Makler jener Häuser kennengelernt hat, die R. gehörten und die B. renovieren ließ, um sie mit Gewinn zu verkaufen. "Er ist wahnsinnig eloquent, gewieft, hat immer plausible Antworten." Der Angeklagte habe immer gesagt, er bewege sich im rechtlichen Graubereich. Davon habe er, der Zeuge, lernen und außerdem von B.s günstigen Renovierungen profitieren wollen. Irgendwann habe er aber wegen dessen finanzieller "Machenschaften" ein "schlechtes Bauchgefühl" bekommen. Deswegen habe er auch nicht eingewilligt, als B. ihn zweimal gebeten habe, gemeinsam eine Firma zu gründen.
Abgehörte Telefonate
Als sich Alexandra R. von Dejan B. getrennt habe und die beiden um das Sorgerecht für ihre gemeinsame Pflegetochter stritten, habe der Angeklagte ihn sogar ersucht, "dass ich beim Jugendamt sage, die Alex sei böse und schade dem Kind". Er tat es nicht, Alexandra R. erhielt das Sorgerecht, gegen Dejan B. erging nach zwei mutmaßlichen Übergriffen ein Kontaktverbot. Eine Woche vor dem entscheidenden Gerichtstermin um Geldforderungen der Männer gegen Alexandra R. - laut Staatsanwaltschaft unberechtigte - verschwand sie spurlos. Oder etwa nicht?
Dejan B.s Verteidiger Jochen Horn jedenfalls konfrontiert Alexandra R.s Lebensgefährten am Freitag auch mit Mitschriften abgehörter Telefonate. Er müsse, erzählte er darin einem Freund, jetzt den Privatdetektiv treffen, den engagiert hatte. Dieser habe eine Spur nach Osteuropa. Ob er denn die Polizei über diese Spur in Kenntnis gesetzt habe, will Horn wissen. Der Zeuge erinnert sich nicht, Horn hält ihm vor: Nein, die Polizisten hätten von ihm nichts Derartiges erfahren.
Ebenso wenig wie von einem zweiten Hinweis, von dem die Ermittler nur durch ein abgehörtes Gespräch zwischen dem Detektiv und dem Lebensgefährten Kenntnis erlangten. Alexandra R. lebe noch, habe ihm der Detektiv am Telefon erzählt, jemand habe sie mit zwei Männern in einem Auto in der Nähe von Kalchreuth gesehen. In der Gemeinde lebte Ugur T. bis zu seiner Festnahme, Dejan B. war an derselben Anschrift gemeldet. Zum Zeitpunkt der angeblichen Sichtung waren die Angeklagten noch nicht verhaftet.
Die Ermittler in der Leitung fanden allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass die Hinweise auf Alexandra R.s Verbleib stichhaltig waren. Nicht in Osteuropa - und auch nicht in Kalchreuth.
Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth läuft der Prozess gegen zwei Männer wegen Mordes an einer schwangeren Frau. Deren Leiche wurde bisher nicht gefunden.
Beleg
https://www.sueddeutsche.de/bayern/nuernberg-alexandra-r-lebensgefaehrte-prozess-1.6635765?reduced=true
3. Absatz relevant, hier gesamter Artikel.
Der Privatdetektiv und die Spur nach Osteuropa
Lebt Alexandra R. nach ihrem Verschwinden am 9. Dezember 2022 doch noch? Ein Zeuge will sie gesehen haben. An seiner Glaubwürdigkeit kommen vor dem Landgericht Nürnberg allerdings Zweifel auf.
Von Max Weinhold
Nürnberg – Mehr als vier Stunden hat der Lebensgefährte der hochschwanger verschwundenen Alexandra R., zugleich der Vater ihres ungeborenen Kindes, vor eineinhalb Wochen als Zeuge am Landgericht Nürnberg-Fürth ausgesagt. Von seiner akademischen Karriere hat er berichtet, von seiner Tennisleidenschaft, von Geschäftsterminen mit dem Angeklagten Dejan B. und der Beziehung zu ihr, der "Alex". Er hat erzählt, wie er sie als ihr Makler kennengelernt habe, wie sie sich angenähert hätten, zusammengekommen seien, sich auf ihr gemeinsames Kind gefreut hätten.
Am Freitag tritt der 39-Jährige wieder in den Zeugenstand. Er wirkt etwas gefasster, das T-Shirt unter seinem Jackett zeigt diesmal nicht das Ultraschallbild des ungeborenen Kindes, sondern einen Dinosaurier. Er hat zwar schon viel gesprochen - so viel, dass ihn der Vorsitzende Richter Gregor Zaar mehrmals bittet, ohne allzu große Exkurse zu antworten. Aber gesagt hat er noch nicht alles. Es sind Fragen geblieben.
Als Richter Zaar Zweifel anmeldet, ob die Frage eines Verteidigers nicht allzu sehr die Intimsphäre des Mannes tangiere, hebt der die Stimme: Wenn jemand - wie der Lebensgefährte - im Zeugenstand aussage, er habe seine Traumfrau - Alexandra R. - gefunden und im Laufe der Beziehung bis zu ihrem Verschwinden in 27 Chats Prostituierte kontaktiere, dann sei die Frage nach den Beweggründen und der Glaubwürdigkeit des Begriffs Traumfrau doch unerlässlich. Zaar lenkt ein, der Lebensgefährte muss antworten: "Ich fand es einfach geil, die anzuschreiben und nach Bildern zu fragen", sagt er. Ob er sich auch mit einer Frau getroffen habe, wisse er nicht mehr.
Stattdessen betont er, wie er es schon bei seinem ersten Auftritt getan hat, die Harmonie in der Beziehung zwischen ihm und Alexandra R. Streit habe es nie gegeben und überhaupt nur eine einzige ernst zu nehmende Diskussion, als sie eines ihrer Häuser nicht verkaufen wollte, weil ihr der gebotene Preis nicht genügt habe. Er dagegen habe es anders gesehen. Dabei handelte sich um jenes Haus, in dem Dejan B. und Ugur T. die Nürnbergerin am 9. Dezember 2022 im Streit um Geld aus Immobiliengeschäften in ihre Gewalt gebracht haben sollen, bevor sie Alexandra R. der Staatsanwaltschaft zufolge töteten. Ihre Leiche hat die Polizei bis heute nicht gefunden, Dejan B. und Ugur T. sind aufgrund erdrückender Indizien trotzdem unter anderem wegen Mordes angeklagt.
Im Zeugenstand erneuert Alexandra R.s Partner denn auch die Vorwürfe gegen die Angeklagten, insbesondere gegen B., den er als Makler jener Häuser kennengelernt hat, die R. gehörten und die B. renovieren ließ, um sie mit Gewinn zu verkaufen. "Er ist wahnsinnig eloquent, gewieft, hat immer plausible Antworten." Der Angeklagte habe immer gesagt, er bewege sich im rechtlichen Graubereich. Davon habe er, der Zeuge, lernen und außerdem von B.s günstigen Renovierungen profitieren wollen. Irgendwann habe er aber wegen dessen finanzieller "Machenschaften" ein "schlechtes Bauchgefühl" bekommen. Deswegen habe er auch nicht eingewilligt, als B. ihn zweimal gebeten habe, gemeinsam eine Firma zu gründen.
Abgehörte Telefonate
Als sich Alexandra R. von Dejan B. getrennt habe und die beiden um das Sorgerecht für ihre gemeinsame Pflegetochter stritten, habe der Angeklagte ihn sogar ersucht, "dass ich beim Jugendamt sage, die Alex sei böse und schade dem Kind". Er tat es nicht, Alexandra R. erhielt das Sorgerecht, gegen Dejan B. erging nach zwei mutmaßlichen Übergriffen ein Kontaktverbot. Eine Woche vor dem entscheidenden Gerichtstermin um Geldforderungen der Männer gegen Alexandra R. - laut Staatsanwaltschaft unberechtigte - verschwand sie spurlos. Oder etwa nicht?
Dejan B.s Verteidiger Jochen Horn jedenfalls konfrontiert Alexandra R.s Lebensgefährten am Freitag auch mit Mitschriften abgehörter Telefonate. Er müsse, erzählte er darin einem Freund, jetzt den Privatdetektiv treffen, den engagiert hatte. Dieser habe eine Spur nach Osteuropa. Ob er denn die Polizei über diese Spur in Kenntnis gesetzt habe, will Horn wissen. Der Zeuge erinnert sich nicht, Horn hält ihm vor: Nein, die Polizisten hätten von ihm nichts Derartiges erfahren.
Ebenso wenig wie von einem zweiten Hinweis, von dem die Ermittler nur durch ein abgehörtes Gespräch zwischen dem Detektiv und dem Lebensgefährten Kenntnis erlangten. Alexandra R. lebe noch, habe ihm der Detektiv am Telefon erzählt, jemand habe sie mit zwei Männern in einem Auto in der Nähe von Kalchreuth gesehen. In der Gemeinde lebte Ugur T. bis zu seiner Festnahme, Dejan B. war an derselben Anschrift gemeldet. Zum Zeitpunkt der angeblichen Sichtung waren die Angeklagten noch nicht verhaftet.
Die Ermittler in der Leitung fanden allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass die Hinweise auf Alexandra R.s Verbleib stichhaltig waren. Nicht in Osteuropa - und auch nicht in Kalchreuth.
Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth läuft der Prozess gegen zwei Männer wegen Mordes an einer schwangeren Frau. Deren Leiche wurde bisher nicht gefunden.