von HP1 » Sonntag, 05. Mai 2024, 22:57:59
Ein bisschen Brainstorming zum Abend
Also ein Gastarbeiter 1995 im tiefsten Bayern, in der Forstwirtschaft...
Ohne da jetzt die allgemeine Unwahrscheinlichkeit dieser Konstellation auszuloten: Sonja verschwand im April, und da ist Setz- und Brutzeit vieler bzw. der meisten Waldtiere. Wenn zu einer Jahreszeit keine arbeitsintensiven Forstarbeiten stattfinden, dann da. Im April absolut kein Bedarf an Arbeitskräften von außerhalb.
Ein anderer Punkt, mit Blick auf Gebietskarte, Fotos und Berichten von Leuten, die vor Ort waren: In dem Bereich dort findet definitiv keine ausgiebige und entsprechend mannstarke forstwirtschaftliche Aktivität statt.
Wer will, kann da natürlich den Gedanken stricken, der Täter habe vielleicht(!) deswegen diese Jahreszeit gewählt, weil da im Wald am wenigsten los ist, keine Forstarbeiten. Und Jäger... im April hat so ziemlich alles Wild Schonzeit. Aktuell nur Schwarzwild bejagbar, da aber auch erst seit ein paar Jahren, seit die Schonzeit wegen ASP ausgesetzt wurde. Und Kaninchen dürfen ganzjährig bejagt werden, wenn ichs grad richtig auf dem Schirm habe. Praktisch dürfte es seitens der Jägerschaft allerdings im April schon verstärkt Begehungen geben in Vorbereitung auf den Saisonstart im Mai. Kanzeln instandsetzen, Kirrungen einrichten/bestücken, stellenweise Gebüsch wegschneiden für bessere Sicht...
Da hätte also ein solcher Gastarbeiter den dortigen Wald zu einer anderen Zeit kennengelernt haben und sich dann im April 1995 ohne entsprechende forstliche Arbeitstätigkeit dort aufgehalten haben müssen. Mal ehrlich, würdet ihr z.B. außerhalb der Tourismus-Saison in einen euch vom Sommerurlaub bekannten kleineren Ort im Ausland reisen, um eine Frau zu entführen, zu töten und dort zu verbringen?
Manche Opfer werden einfach "auf neutralem Boden" abgelegt, um sie loszuwerden. (Hier im Kontext: 1995 im Wesentlichen ohne Risiko durch etwaige DNA-Spuren.)
Andere werden so verbracht, dass sie möglichst lange nicht/nie gefunden werden sollen, und das war bei Sonja zweifelsfrei der Fall. Da stellen sich dann zwei Fragen: Erstens, in wieweit weist die Verbringung bzgl. Durchführung da Besonderheiten oder gar Alleinstellungsmerkmale auf? Zweitens, warum war eine solche Verbringung für den Täter von so großer Wichtigkeit, dass er den hohen Aufwand und das höhere Entdeckungsrisiko beim Verbringen selbst (im Vergleich zu einer Ablage irgendwo am Wegesrand oÄ) in Kauf genommen hat? Auch hier nochmal, DNA-Spuren 1995 noch kein präsentes Thema.
Erstmal ist die Verbringung im Wald häufig, sowohl bei einfacher Ablage als auch auf Dauer angelegtem echten Verstecken der Leiche. Bei letzterem ganz "klassisch" mit Vergraben - ein Vorgehen, das auch bei der Verbringung andernorts vorkommt, z.B. auf dem eigenen Grundstück.
Da würde ich sagen, stattdessen eine tiefe, kaum einsehbare (mit Laub obendrauf...) und schwer zugängliche Felsspalte, das spart eine Menge Arbeit (graben) und mindert das Entdeckungsrisiko: Erstens geht das Verbringen schneller - selbst wenn man das Loch bereits zuvor ausgehoben hat, muss man es beim Verbringen immer noch zuschaufeln. Zweitens fällt so eine Grabstelle auch im Nachgang leicht auf, dem geübten Auge auch noch nach Monaten. Aber vom Prinzip her ist es dem Vergraben doch eigentlich gleichzusetzen, oder nicht? Erfüllt im gleichen Kontext (dauerhaft Verstecken im Wald) den gleichen Zweck.
Aber bevor man hierin jetzt die großartige intellektuelle Leistung sehen und entsprechend Rückschlüsse auf den Täter ziehen will: Das Gelände dort sieht auf Fotos und nach Berichten hier im Forum nicht gerade so aus, als ob man da ohne Maschine leicht eine ausreichend große Grube ausheben könnte. Stattdessen viele Felsen, Steinbrocken... Müsste man vor Ort und mit unterschiedlichem Radius dahingehend betrachten, ob ein Vergraben in der näheren oder auch weiteren Gegend überhaupt eine naheliegende Option wäre, oder ob dort die Variante "Felsspalte" nicht vielmehr auch dem durchschnittlichen Denker unmittelbar sinnhaft wäre.
Ein anderer Punkt, der ebenfalls idealerweise vor Ort ergründet werden könnte:
Wenn man dort mal ein paar Stunden als Ortsunkundiger einfach ins Gelände stapft auf der Suche nach einer möglichst vergleichbar geeigneten Stelle, was würde man da so alles finden? Anders gesagt, wie belastbar ist die Annahme, der Täter müsse die Stelle bereits im Vorfeld aus anderem Kontext gekannt haben? Wäre es möglich, dass der Täter in einer umfassenden Tatplanung im Vorfeld einfach in der Gegend nach einer geeigneten Stelle im Wald gesucht und ebendort gefunden hat? Je einzigartiger diese Stelle dort in der näheren oder weiteren Umgebung tatsächlich ist, desto mehr spräche das für eine per se gegebene Kenntnis dieser Stelle. Aber nur die Feststellung, dass die Stelle fürs dauerhafte Verstecken der Leiche sehr gut geeignet war, reicht mE nicht dafür.
Dann die "Verpackung". Meines Wissens nicht so ungewöhnlich, dass Leichen, die "verschwinden" sollen, eingepackt werden. Eine Leiche fängt schnell an zu riechen und bald auch zu saften, will man so nicht im Kofferraum haben. Und falls man irgendwo gesehen wird, ist ein Folienpaket doch noch ein bisschen weniger auffällig als ein lebloser Körper.
In Sonjas Fall für mich bemerkenswert an der Verbringung in puncto Durchführung:
- Der Ort ist mit einem Paket mit 70kg+ nur unter großen Mühen zu erreichen. Auch zu zweit, aufgrund der Unwegsamkeit des Untergrunds und entweder deutlich bergauf oder erhebliche Strecke, je nachdem, welcher Weg gewählt wurde. Ich frage mich, ob die Leiche nicht zuvor anderweitig verbracht gewesen ist und dann erst, skelettiert und erheblich leichter, an den finalen Ort verbracht wurde. Die Verpackung in zwei verschiedenen Folien, von denen die eine einen deutlich höheren Verwitterungsgrad zeigt (entsprechend von der Polizei veröffentlichten Fotos) deutet dies als Möglichkeit an. Aber ohne entsprechende Äußerungen im Detail seitens EB können wir da natürlich nichts feststellen. Sicher eine Frage, mit der sich die EB beschäftigt haben, und da wird es intern auch Antworten drauf geben. Dass im Fall einer (möglichen oder festgestellten) wiederholten Verbringung dies als Täterwissen nicht öffentlich gemacht wurde, wäre nicht irritierend.
- Der Ort der Verbringung ist etwa 100km vom Ort des Verschwindens entfernt. Sonja wurde diese Strecke entweder lebend oder tot transportiert, je nach Szenario. Im einen Fall verweist es auf einen nicht nur Bezug, sondern damals aktuellen Standort des Täters in dieser Gegend, im anderen Fall stellt sich die Frage, warum man mit einer Leiche im Wagen eine so lange Strecke auf sich nimmt. Wäre denkbar, wenn man die Leiche unbedingt verschwinden lassen will, genau diesen Ort kennt und ohne näher liegende Alternative zur Hand für die Verbringung wählt.
- Die Verwendung gebrauchter (Malerarbeiten) Folie. Die Mit-Ablage einer gebrauchten(?) Decke, deren Aussehen/Motiv wiedererkannt und mit dem Täter per Zeugen in Verbindung gebracht werden könnte. Da haben wir also einen Täter, der einerseits sehr darum bemüht ist, dass die Leiche nie gefunden wird, oder anders herum formuliert, der erheblichen Aufwand betreibt, damit die Tat (bis auf das spurlose Verschwinden Sonjas an sich) vollkommen unsichtbar bleibt, der aber offenbar bei der Folie und Decke weder Vorbereitungsaufwand betrieben hat noch dem Motiv gefolgt ist, die Leiche möglichst "professionell" loszuwerden. Ich weiß nicht, ob ihr das intuitiv nachvollziehen könnt, aber bei mir erzeugt das eine deutliche Irritation.
- Die Verwendung eines professionellen Abrollers für das Paketband. Also "professionell" nicht in dem Sinn, dass sowas besonders teuer wäre oder es ein Gerät besonderer Qualität gewesen sein müsse, sondern einfach der Umstand, dass wohl kaum jemand, der nicht regelmäßig Dinge mit Paketband verpackt, sowas am Start hat. Da wird doch viel eher das Bandende abgepopelt, auf die nötige Länge abgezogen, draufgeklebt und mit ner Schere abgeschnitten. Und ein Täter, der so ein Teil extra für den Zweck gekauft hat, der hätte auch eine frische Folie gekauft, just to say.
Ist natürlich am Ende doch mit Unsicherheit behaftet. Manche haben einfach eine gut ausgestattete Werkstatt mit allem möglichen Krempel aus dem Baumarkt, den man größtenteils nur ein oder zweimal benutzt, oder auch gar nie.
Trotzdem, der Paketband-Abroller ist auffällig.
- Sonjas Leichnam wurde unbekleidet eingepackt. Dafür, dass sie nach dem Ableben entkleidet worden sein könnte, finde ich kaum ein plausibles Szenario. Ich meine, der Täter tötet die bekleidete Sonja und zieht ihr danach die im Ableben vollgemachte Kleidung aus, um den Leichnam dann nackt in Folie zu verpacken? Sehr viel wahrscheinlicher die Annahme, Sonja war bereits vor/bei ihrem Ableben vollständig entkleidet. Dies bekräftigt die Vermutung von sexuellem Missbrauch oder anderweitig intensiv-übergriffigem Umgang mit dem Opfer. Ist jetzt nicht die große unerwartete Erkenntnis, aber jedenfalls nennenswert. Im Gesamtkontext nicht schlüssig wäre die Annahme, sie wurde entkleidet, um eine sexuell motiverte Tat vorzutäuschen. Nicht bei einer Verbringung, die mit großem Aufwand ein Auffinden der Leiche verhindern sollte.
Frage an der Stelle: Warum wurde Sonjas Bekleidung nicht mit der Leiche verbracht? Ein Zurückbehalten als "Souvenir" würde ich eher in Form eines oder zweier Kleidungsstücke erwarten, Unterwäsche oder so, aber nicht komplett mit Jacke und Schuhen. Und für ein separates Verbringen/Vernichten ergibt sich kein mir ersichtlicher Anlass. Wie gesagt, 1995 DNA kein Thema, und der Täter hat ja auch gebrauchte, spurenbehaftete Folie verwendet. Mir am Naheliegendsten: Die Bekleidung befand sich beim Einpacken nicht in unmittelbarer Nähe bzw. Sichtfeld, möglicherweise war Sonja bereits schon längere Zeit unbekleidet gewesen und ihre Kleidung irgendwo verstaut. Jedenfalls, der Täter hatte die Kleidung beim Einpacken vielleicht einfach nicht auf dem Schirm. Dass der Täter beim Einpacken der von ihm mehr oder weniger kurz zuvor getöteten Sonja ziemlich unter Strom stand und in seinem Tun einen Tunnelblick hatte, wäre nicht verwunderlich. Man könnte da vielleicht vorsichtig annehmen, dass der Täter nach dem Einpacken vielleicht unmittelbar zur Verbringung aufgebrochen ist, ansonsten hätte er zwischenzeitlich früher oder später an die Kleidung gedacht und sie ebenfalls mitgenommen.
Wenn ich jetzt auf das warum schaue - warum ist es einem Täter wichtig, dass die Leiche so gut versteckt ist, dass sie nicht gefunden wird? Auch hier wieder mal, "DNA" ist keine Antwort 1995 und bei einem Täter, der gebrauchte Folie und Decke mitverbringt.
- Ganz praktisch, der Täter ist mit der Leiche im Raum Kipfenberg (also sowieso, nicht mit der Leiche extra dorthin gefahren) und will mit der Leiche keine größere Strecke fahren, nicht durch weniger bekannte Gegend, sie nicht irgendwo verbringen, wo er sich weniger auskennt, sein Nummernschild von auswärts auffallen könnte usw. Allerdings hat er sie im 100km entfernten München abgegriffen, nichts deutet auf die Region Kipfenberg als tatrelevant hin. Niemand würde hier eine möglicherweise etwas verdächtige Beobachtung mit Sonjas Verschwinden in München in Verbindung bringen. Nur: Damit das so bleibt, darf die Leiche auch nie in der Gegend gefunden werden.
Für mich sind (damaliger) Ortsbezug des Täters zum Raum Kipfenberg plus Vermeidung größerer Strecke/Entfernung/Ortsunkenntnis bei der Verbringung der naheliegendste Grund für das aufwändige Verschwindenlassen der Leiche. Das gilt auch im Falle des oben angerissenen Gedankens, sie könnte zuvor woanders (Privatgrundstück?) verbracht gewesen und "umgebettet" worden sein.
Wie gesagt, der Täter hätte die Leiche auch einfach irgendwo weit genug weg abladen können, müsste dafür nur halt mit der Leiche auch eben diese Strecke fahren und vor Ort nicht (als "Fremder") auffallen.
Auch für eine Tat in München (oder sonstwo weit entfernt von Kipfenberg) gilt das: Der Täter könnte sonstwohin fahren (z.B. auch nach Kipfenberg, natürlich...) und die Leiche dort einfach an einem Waldparkplatz auf eine Parkbank setzen, sozusagen. Wem das zu unbestimmt erscheint, der kann ja mal mit 1-2 Zentnern auf dem Rücken und angenommener Entdeckungsangst durch den Wald wandern und überlegen, ob das per se die Variante wäre, die man selbst für schlau halten würde.
- Die Alternative ist eher psychologischer Natur: Derjenige fühlt sich merklich wohler bei der Vorstellung, Täter in einem Fall zu sein, der öffentlich nur als spurloses Verschwinden rezipiert wird als in einem Fall, der öffentlich als Entführung und Mord festgestellt ist. Dann wäre mir auch eine Verbringung an einen entfernten, dem Täter im Vorfeld bekannten Ort denkbar. Ich meine, mir ist schon vorstellbar, dass sich jemand bei der Vorstellung unwohl fühlt, alle um ihn herum wissen von der Tat, nur nicht, dass er der Täter ist. Ist natürlich eine Einbildung, tatsächlich werden die allermeisten Menschen die allermeiste Zeit überhaupt nicht an den Fall denken. Und wenn... dann halt. Für so einen Grund müsste der Täter schon recht empfindsam sein, eher sozial unauffällig und wenig eingebunden, jemand mit Unsicherheiten und Ängsten im Bezug darauf, von der sozialen Umwelt kritisch betrachtet zu werden... so in der Art.
Ganz anders sieht es aus bei der Variante eines Täters aus ihrem (näheren) Umfeld. Da ist Sonjas Verschwinden sehr und langfristig präsent, und für einen sich ebenfalls in diesem Umfeld befindlichen Täter würde es einen erheblichen Unterschied machen, ob sie nur als verschwunden oder aber als gesichert entführt und getötet gilt. Also weniger auf der praktischen Ebene, aber ich meine, im Falle einer "nur" als verschwunden geltenden Sonja könnte es dem Täter besser gelingen, sich diesem sozialen Umfeld weiterhin als zugehörig zu empfinden.
Ist an der Stelle natürlich keine handfeste Argumentation und wäre auf jeden Fall keine Frage eines rational überlegenden Täters, sondern ein Motiv aus starker Befindlichkeit. Wäre (mir) so plausibel bei einem Umfeld-Täter, muss aber nicht gelten. Insbesondere ist das keinesfalls so zu lesen, als würde ich einen Täter aus dem Umfeld insgesamt für naheliegend halten (ist jedenfalls nicht so).
Meine (völlig optionale) Vorstellung zu Täter, Motiv und Hergang sieht in etwa so aus:
Ein Typ aus der Gegend Kipfenberg entwickelt die Idee, eine junge Frau zu entführen und sexuell zu missbrauchen. Keiner, der vor Ort Gelegenheiten hätte oder wahrnehmen würde, mit Frauen zusammenzukommen. Ich denke da eher an einen diesbezüglich unsicheren und inaktiven Mann mit gleichzeitig hoch übersteigertem Bedürfnis nach sexueller Aktivität - so einer, der mit seinem Auftreten entweder von vornherein ziemlich chancenlos ist, oder der aus Angst vor Abfuhr (=soziale Deklassierung) hier völlig gehemmt ist. Es ist nunmal so, dass Unsicherheit und Unterlegenheitsgefühl die Bereitschaft zu missbräuchlicher Machtausübung oft viel eher begünstigen als bremsen, und einem diesbezüglich selbstbewussten Täter würde ich eher eine Spontantat oder Eskalation eines zunächst freiwilligen Szenarios zuschreiben, jedenfalls eher ein Handeln im sozialen Nahbereich. Zu dem unsicheren Typen würde auch das Bedürfnis passen, die Leiche verschwinden zu lassen, die Tat soll insbesondere in seiner Umgebung (Kipfenberg) "unsichtbar" bleiben.
Also, der Typ plant folgendermaßen: Er hat einen geeigneten Ort zur Hand. Allein lebend, frei stehendes kleines Häusschen im dörflichen Umfeld nicht ungewöhnlich, vielleicht am Ortsrand, von der Oma geerbt oder so. Könnte natürlich auch ein anderes (zu der Zeit) nicht genutztes Gebäude sein, zu dem der Täter Zugang hat.
In diesem Szenario bin ich mir ziemlich sicher, dass er plant, sein Opfer über einen Zeitraum lebend festzuhalten, für fortgesetzten Missbrauch. Ganz einfach, weil es für eine einmalige Nummer nicht so recht passt, das Opfer nach dem Abgriff so weit und zu sich nach Hause zu transportieren.
Wo kann er dafür ein Opfer finden und abgreifen? Vor Ort in seiner Gegend nicht, dort soll auch danach "nichts passiert" sein, das Bedürfnis dieses Täters nach maximaler Unauffälligkeit geht da über das praktische "nicht erwischt werden" hinaus, niemand vor Ort soll auch nur auf die Idee kommen können, er könnte irgendwas damit zu tun haben. Er will jedenfalls auch nicht mit Ortsgespräch zum Fall konfrontiert werden.
Also anderswo. Und da scheint mir München absolut nahe liegend. Gut entfernt, um jegliche Verortung völlig zu vermeiden. Dennoch nah genug, um ggf. auch wiederholt abends mal hinzufahren auf des Suche nach einem Opfer. Anonym, als Ortsfremder, auch mit Kennzeichen von außerhalb, fällt man da null auf. Auch eine gute Hookline, anzuhalten und nach dem Weg zu fragen. Das Münchener Nachtleben ist jetzt nicht so berühmt, aber die Chance, nachts eine vereinzelte junge Frau in zu der Zeit ansonsten wenig frequentierter Gegend anzutreffen, jedenfalls besser als in Ingolstadt, Nürnberg oder irgendwelchen Käffern. Ob der Täter da Prostituierte im Blick hatte, unbestimmt. Soll ja einer um die Zeit von Sonjas Verschwinden herum Prostituierte in München komisch angequatscht haben, und Sonja war jedenfalls nicht in Sackleinen gekleidet. Wie auch immer, SMP werktags um diese nächtliche Zeit jedenfalls geeignet, um dort vorbeizufahren und mal zu schauen. Vielleicht wartet eine allein an der Tram oder am Taxistand, und wenn nicht, einfach weiter fahren und andere Locations abklappern.
Sonja war nun keine Prostituierte, die zu einem vermeintlichen Freier eingestiegen wäre, aber sie war alkoholisiert und wollte wohl nach Hause. Egal, wie genau der Täter sie in sein Fahrzeug bekommen und festgesetzt hat, die Frage nach dem genauen Hergang stellt sich da ja bei jedem ihr unbekannten Täter gleichermaßen. Ich stelle mir an der Stelle tatsächlich sowas vor wie anhalten, nach dem Weg fragen und Sonja steigt ein, um ihm den Weg zu zeigen, vielleicht weil es sie in die Nähe ihres Zuhause führt? Wie auch immer, er nimmt sie gegen ihren Willen zu sich nach Hause in der Gegend Kipfenberg mit.
Anstatt der hier oft geäußerten Vermutung, der Täter müsse doch auch persönlichen Bezug zu München haben und dort beruflich tätig und untergebracht gewesen sein, um dort werktags nachts eine Frau abzugreifen usw. würde ich viel eher sagen, München war auch ohne näheren persönlichen Bezug und anderweitigen Anlass für seine Anwesenheit ein nahe liegendes und geeignetes "Jagdrevier" für seinen Plan. Der war entweder nicht in Vollzeit berufstätig oder hat sich einfach in der Zeit Urlaub genommen gehabt, vielleicht offiziell, um bei sich zu Hause zu renovieren - würde jedenfalls zu der Malerfolie passen.
Ob seine Tat dann so verlaufen ist, wie er es sich vorgestellt hat, ob es seine Bedürfnisse (eher sozialpsychologischer Natur als "triebgesteuert", meine ich) befriedigt wurden, keine Ahnung. Das wäre interessant im Bezug auf etwaige Wiederholungstaten - die finden sinnigerweise nur dann ohne wesentliche Änderung (oder überhaupt) statt, wenn es für den Täter im Großen und Ganzen wie gewünscht gelaufen ist.
Jedenfalls, letztendlich muss Sonja sterben, das war von Beginn an eingeplant. Der Verbringungsort wurde vom Täter zuvor festgelegt, ob ihm schon länger vorher sowieso bekannt oder im Zuge der Tatplanung (die von Idee bis Umsetzung durchaus Monate oder Jahre dauern konnte) gesucht und gefunden, schwer zu sagen.
Wie gesagt, alles nur eine völlig optionale Vorstellung meinerseits. Hier ein Eindruck, da eine Idee, dort ein paar Möglichkeiten mangels Plausibilität verworfen. Ich würde da keinesfalls behaupten wollen, es habe sich insgesamt genau so abgespielt.
Aber die Punkte "junge Frau verschwindet nachts in München von der Straße weg", "die Auffindesituation legt eine sexuell motivierte Tat nahe" und "die Leiche wird 100km entfernt mit hohem Aufwand dauerhaft versteckt" bringe ich nur so in ein Gesamtbild, das mir(!) im Großen und Ganzen sinnhaft erscheint.
Ein bisschen Brainstorming zum Abend
Also ein Gastarbeiter 1995 im tiefsten Bayern, in der Forstwirtschaft...
Ohne da jetzt die allgemeine Unwahrscheinlichkeit dieser Konstellation auszuloten: Sonja verschwand im April, und da ist Setz- und Brutzeit vieler bzw. der meisten Waldtiere. Wenn zu [b]einer[/b] Jahreszeit [i]keine[/i] arbeitsintensiven Forstarbeiten stattfinden, dann da. Im April absolut kein Bedarf an Arbeitskräften von außerhalb.
Ein anderer Punkt, mit Blick auf Gebietskarte, Fotos und Berichten von Leuten, die vor Ort waren: In dem Bereich dort findet definitiv keine ausgiebige und entsprechend mannstarke forstwirtschaftliche Aktivität statt.
Wer will, kann da natürlich den Gedanken stricken, der Täter habe vielleicht(!) [b]deswegen[/b] diese Jahreszeit gewählt, weil da im Wald am wenigsten los ist, keine Forstarbeiten. Und Jäger... im April hat so ziemlich alles Wild Schonzeit. Aktuell nur Schwarzwild bejagbar, da aber auch erst seit ein paar Jahren, seit die Schonzeit wegen ASP ausgesetzt wurde. Und Kaninchen dürfen ganzjährig bejagt werden, wenn ichs grad richtig auf dem Schirm habe. Praktisch dürfte es seitens der Jägerschaft allerdings im April schon verstärkt Begehungen geben in Vorbereitung auf den Saisonstart im Mai. Kanzeln instandsetzen, Kirrungen einrichten/bestücken, stellenweise Gebüsch wegschneiden für bessere Sicht...
Da hätte also ein solcher Gastarbeiter den dortigen Wald zu einer anderen Zeit kennengelernt haben und sich dann im April 1995 [i]ohne[/i] entsprechende forstliche Arbeitstätigkeit dort aufgehalten haben müssen. Mal ehrlich, würdet ihr z.B. außerhalb der Tourismus-Saison in einen euch vom Sommerurlaub bekannten kleineren Ort im Ausland reisen, um eine Frau zu entführen, zu töten und dort zu verbringen?
Manche Opfer werden einfach "auf neutralem Boden" abgelegt, um sie loszuwerden. (Hier im Kontext: 1995 im Wesentlichen ohne Risiko durch etwaige DNA-Spuren.)
Andere werden so verbracht, dass sie möglichst lange nicht/nie gefunden werden sollen, und das war bei Sonja zweifelsfrei der Fall. Da stellen sich dann zwei Fragen: Erstens, in wieweit weist die Verbringung bzgl. Durchführung da Besonderheiten oder gar Alleinstellungsmerkmale auf? Zweitens, warum war eine solche Verbringung für den Täter von so großer Wichtigkeit, dass er den hohen Aufwand und das höhere Entdeckungsrisiko beim Verbringen selbst (im Vergleich zu einer Ablage irgendwo am Wegesrand oÄ) in Kauf genommen hat? Auch hier nochmal, DNA-Spuren 1995 noch kein präsentes Thema.
Erstmal ist die Verbringung im Wald häufig, sowohl bei einfacher Ablage als auch auf Dauer angelegtem echten Verstecken der Leiche. Bei letzterem ganz "klassisch" mit Vergraben - ein Vorgehen, das auch bei der Verbringung andernorts vorkommt, z.B. auf dem eigenen Grundstück.
Da würde ich sagen, stattdessen eine tiefe, kaum einsehbare (mit Laub obendrauf...) und schwer zugängliche Felsspalte, das spart eine Menge Arbeit (graben) und mindert das Entdeckungsrisiko: Erstens geht das Verbringen schneller - selbst wenn man das Loch bereits zuvor ausgehoben hat, muss man es beim Verbringen immer noch zuschaufeln. Zweitens fällt so eine Grabstelle auch im Nachgang leicht auf, dem geübten Auge auch noch nach Monaten. Aber vom Prinzip her ist es dem Vergraben doch eigentlich gleichzusetzen, oder nicht? Erfüllt im gleichen Kontext (dauerhaft Verstecken im Wald) den gleichen Zweck.
Aber bevor man hierin jetzt die großartige intellektuelle Leistung sehen und entsprechend Rückschlüsse auf den Täter ziehen will: Das Gelände dort sieht auf Fotos und nach Berichten hier im Forum nicht gerade so aus, als ob man da ohne Maschine leicht eine ausreichend große Grube ausheben könnte. Stattdessen viele Felsen, Steinbrocken... Müsste man vor Ort und mit unterschiedlichem Radius dahingehend betrachten, ob ein Vergraben in der näheren oder auch weiteren Gegend überhaupt eine naheliegende Option wäre, oder ob dort die Variante "Felsspalte" nicht vielmehr auch dem durchschnittlichen Denker unmittelbar sinnhaft wäre.
Ein anderer Punkt, der ebenfalls idealerweise vor Ort ergründet werden könnte:
Wenn man dort mal ein paar Stunden als Orts[i][b]un[/b][/i]kundiger einfach ins Gelände stapft auf der Suche nach einer möglichst vergleichbar geeigneten Stelle, was würde man da so alles finden? Anders gesagt, wie belastbar ist die Annahme, der Täter müsse die Stelle bereits im Vorfeld [i]aus anderem Kontext[/i] gekannt haben? Wäre es möglich, dass der Täter in einer umfassenden Tatplanung im Vorfeld einfach in der Gegend nach einer geeigneten Stelle im Wald gesucht und ebendort gefunden hat? Je einzigartiger diese Stelle dort in der näheren oder weiteren Umgebung [i]tatsächlich[/i] ist, desto mehr spräche das für eine per se gegebene Kenntnis dieser Stelle. Aber nur die Feststellung, dass die Stelle fürs dauerhafte Verstecken der Leiche sehr gut geeignet war, reicht mE nicht dafür.
Dann die "Verpackung". Meines Wissens nicht so ungewöhnlich, dass Leichen, die "verschwinden" sollen, eingepackt werden. Eine Leiche fängt schnell an zu riechen und bald auch zu saften, will man so nicht im Kofferraum haben. Und [i]falls[/i] man irgendwo gesehen wird, ist ein Folienpaket doch noch ein bisschen weniger auffällig als ein lebloser Körper.
In Sonjas Fall für mich bemerkenswert an der Verbringung in puncto Durchführung:
- Der Ort ist mit einem Paket mit 70kg+ nur unter großen Mühen zu erreichen. Auch zu zweit, aufgrund der Unwegsamkeit des Untergrunds und entweder deutlich bergauf oder erhebliche Strecke, je nachdem, welcher Weg gewählt wurde. Ich frage mich, ob die Leiche nicht zuvor anderweitig verbracht gewesen ist und dann erst, skelettiert und erheblich leichter, an den finalen Ort verbracht wurde. Die Verpackung in zwei verschiedenen Folien, von denen die eine einen deutlich höheren Verwitterungsgrad zeigt (entsprechend von der Polizei veröffentlichten Fotos) deutet dies als Möglichkeit an. Aber ohne entsprechende Äußerungen im Detail seitens EB können wir da natürlich nichts feststellen. Sicher eine Frage, mit der sich die EB beschäftigt haben, und da wird es intern auch Antworten drauf geben. Dass im Fall einer (möglichen oder festgestellten) wiederholten Verbringung dies als Täterwissen nicht öffentlich gemacht wurde, wäre nicht irritierend.
- Der Ort der Verbringung ist etwa 100km vom Ort des Verschwindens entfernt. Sonja wurde diese Strecke entweder lebend oder tot transportiert, je nach Szenario. Im einen Fall verweist es auf einen nicht nur Bezug, sondern damals aktuellen Standort des Täters in dieser Gegend, im anderen Fall stellt sich die Frage, warum man mit einer Leiche im Wagen eine so lange Strecke auf sich nimmt. Wäre denkbar, wenn man die Leiche unbedingt verschwinden lassen will, genau diesen Ort kennt und ohne näher liegende Alternative zur Hand für die Verbringung wählt.
- Die Verwendung gebrauchter (Malerarbeiten) Folie. Die Mit-Ablage einer gebrauchten(?) Decke, deren Aussehen/Motiv wiedererkannt und mit dem Täter per Zeugen in Verbindung gebracht werden könnte. Da haben wir also einen Täter, der einerseits sehr darum bemüht ist, dass die Leiche nie gefunden wird, oder anders herum formuliert, der erheblichen Aufwand betreibt, damit die Tat (bis auf das spurlose Verschwinden Sonjas an sich) vollkommen unsichtbar bleibt, der aber offenbar bei der Folie und Decke weder Vorbereitungsaufwand betrieben hat noch dem Motiv gefolgt ist, die Leiche möglichst "professionell" loszuwerden. Ich weiß nicht, ob ihr das intuitiv nachvollziehen könnt, aber bei mir erzeugt das eine deutliche Irritation.
- Die Verwendung eines professionellen Abrollers für das Paketband. Also "professionell" nicht in dem Sinn, dass sowas besonders teuer wäre oder es ein Gerät besonderer Qualität gewesen sein müsse, sondern einfach der Umstand, dass wohl kaum jemand, der nicht regelmäßig Dinge mit Paketband verpackt, sowas am Start hat. Da wird doch viel eher das Bandende abgepopelt, auf die nötige Länge abgezogen, draufgeklebt und mit ner Schere abgeschnitten. Und ein Täter, der so ein Teil extra für den Zweck gekauft hat, der hätte auch eine frische Folie gekauft, just to say.
Ist natürlich am Ende doch mit Unsicherheit behaftet. Manche haben einfach eine gut ausgestattete Werkstatt mit allem möglichen Krempel aus dem Baumarkt, den man größtenteils nur ein oder zweimal benutzt, oder auch gar nie.
Trotzdem, der Paketband-Abroller ist auffällig.
- Sonjas Leichnam wurde unbekleidet eingepackt. Dafür, dass sie nach dem Ableben entkleidet worden sein könnte, finde ich kaum ein plausibles Szenario. Ich meine, der Täter tötet die bekleidete Sonja und zieht ihr danach die im Ableben vollgemachte Kleidung aus, um den Leichnam dann nackt in Folie zu verpacken? Sehr viel wahrscheinlicher die Annahme, Sonja war bereits vor/bei ihrem Ableben vollständig entkleidet. Dies bekräftigt die Vermutung von sexuellem Missbrauch oder anderweitig intensiv-übergriffigem Umgang mit dem Opfer. Ist jetzt nicht die große unerwartete Erkenntnis, aber jedenfalls nennenswert. Im Gesamtkontext nicht schlüssig wäre die Annahme, sie wurde entkleidet, um eine sexuell motiverte Tat vorzutäuschen. Nicht bei einer Verbringung, die mit großem Aufwand ein Auffinden der Leiche [i]verhindern[/i] sollte.
Frage an der Stelle: Warum wurde Sonjas Bekleidung nicht mit der Leiche verbracht? Ein Zurückbehalten als "Souvenir" würde ich eher in Form eines oder zweier Kleidungsstücke erwarten, Unterwäsche oder so, aber nicht komplett mit Jacke und Schuhen. Und für ein separates Verbringen/Vernichten ergibt sich kein mir ersichtlicher Anlass. Wie gesagt, 1995 DNA kein Thema, und der Täter hat ja auch gebrauchte, spurenbehaftete Folie verwendet. Mir am Naheliegendsten: Die Bekleidung befand sich beim Einpacken nicht in unmittelbarer Nähe bzw. Sichtfeld, möglicherweise war Sonja bereits schon längere Zeit unbekleidet gewesen und ihre Kleidung irgendwo verstaut. Jedenfalls, der Täter hatte die Kleidung beim Einpacken vielleicht einfach nicht auf dem Schirm. Dass der Täter beim Einpacken der von ihm mehr oder weniger kurz zuvor getöteten Sonja ziemlich unter Strom stand und in seinem Tun einen Tunnelblick hatte, wäre nicht verwunderlich. Man könnte da vielleicht vorsichtig annehmen, dass der Täter nach dem Einpacken vielleicht unmittelbar zur Verbringung aufgebrochen ist, ansonsten hätte er zwischenzeitlich früher oder später an die Kleidung gedacht und sie ebenfalls mitgenommen.
Wenn ich jetzt auf das [i]warum[/i] schaue - warum ist es einem Täter wichtig, dass die Leiche so gut versteckt ist, dass sie nicht gefunden wird? Auch hier wieder mal, "DNA" ist keine Antwort 1995 und bei einem Täter, der gebrauchte Folie und Decke mitverbringt.
- Ganz praktisch, der Täter ist mit der Leiche im Raum Kipfenberg (also sowieso, nicht mit der Leiche extra dorthin gefahren) und will mit der Leiche keine größere Strecke fahren, nicht durch weniger bekannte Gegend, sie nicht irgendwo verbringen, wo er sich weniger auskennt, sein Nummernschild von auswärts auffallen könnte usw. Allerdings hat er sie im 100km entfernten München abgegriffen, nichts deutet auf die Region Kipfenberg als tatrelevant hin. Niemand würde hier eine möglicherweise etwas verdächtige Beobachtung mit Sonjas Verschwinden in München in Verbindung bringen. Nur: Damit das so bleibt, darf die Leiche auch nie in der Gegend gefunden werden.
Für mich sind (damaliger) Ortsbezug des Täters zum Raum Kipfenberg plus Vermeidung größerer Strecke/Entfernung/Ortsunkenntnis bei der Verbringung der naheliegendste Grund für das aufwändige Verschwindenlassen der Leiche. Das gilt auch im Falle des oben angerissenen Gedankens, sie könnte zuvor woanders (Privatgrundstück?) verbracht gewesen und "umgebettet" worden sein.
Wie gesagt, der Täter hätte die Leiche auch einfach irgendwo weit genug weg abladen können, müsste dafür nur halt mit der Leiche auch eben diese Strecke fahren und vor Ort nicht (als "Fremder") auffallen.
Auch für eine Tat in München (oder sonstwo weit entfernt von Kipfenberg) gilt das: Der Täter könnte sonstwohin fahren (z.B. auch nach Kipfenberg, natürlich...) und die Leiche dort einfach an einem Waldparkplatz auf eine Parkbank setzen, sozusagen. Wem das zu unbestimmt erscheint, der kann ja mal mit 1-2 Zentnern auf dem Rücken und angenommener Entdeckungsangst durch den Wald wandern und überlegen, ob das per se die Variante wäre, die man selbst für schlau halten würde.
- Die Alternative ist eher psychologischer Natur: Derjenige fühlt sich merklich wohler bei der Vorstellung, Täter in einem Fall zu sein, der öffentlich nur als spurloses Verschwinden rezipiert wird als in einem Fall, der öffentlich als Entführung und Mord festgestellt ist. Dann wäre mir auch eine Verbringung an einen entfernten, dem Täter im Vorfeld bekannten Ort denkbar. Ich meine, mir ist schon vorstellbar, dass sich jemand bei der Vorstellung unwohl fühlt, alle um ihn herum wissen von der Tat, nur nicht, dass er der Täter ist. Ist natürlich eine Einbildung, tatsächlich werden die allermeisten Menschen die allermeiste Zeit überhaupt nicht an den Fall denken. Und wenn... dann halt. Für so einen Grund müsste der Täter schon recht empfindsam sein, eher sozial unauffällig und wenig eingebunden, jemand mit Unsicherheiten und Ängsten im Bezug darauf, von der sozialen Umwelt kritisch betrachtet zu werden... so in der Art.
Ganz anders sieht es aus bei der Variante eines Täters aus ihrem (näheren) Umfeld. Da ist Sonjas Verschwinden sehr und langfristig präsent, und für einen sich ebenfalls in diesem Umfeld befindlichen Täter würde es einen erheblichen Unterschied machen, ob sie nur als verschwunden oder aber als gesichert entführt und getötet gilt. Also weniger auf der praktischen Ebene, aber ich meine, im Falle einer "nur" als verschwunden geltenden Sonja könnte es dem Täter besser gelingen, sich diesem sozialen Umfeld weiterhin als zugehörig zu empfinden.
Ist an der Stelle natürlich keine handfeste Argumentation und wäre auf jeden Fall keine Frage eines rational überlegenden Täters, sondern ein Motiv aus starker Befindlichkeit. Wäre (mir) so plausibel bei einem Umfeld-Täter, muss aber nicht gelten. Insbesondere ist das keinesfalls so zu lesen, als würde ich einen Täter aus dem Umfeld insgesamt für naheliegend halten (ist jedenfalls nicht so).
Meine (völlig optionale) Vorstellung zu Täter, Motiv und Hergang sieht in etwa so aus:
Ein Typ aus der Gegend Kipfenberg entwickelt die Idee, eine junge Frau zu entführen und sexuell zu missbrauchen. Keiner, der vor Ort Gelegenheiten hätte oder wahrnehmen würde, mit Frauen zusammenzukommen. Ich denke da eher an einen diesbezüglich unsicheren und inaktiven Mann mit gleichzeitig hoch übersteigertem Bedürfnis nach sexueller Aktivität - so einer, der mit seinem Auftreten entweder von vornherein ziemlich chancenlos ist, oder der aus Angst vor Abfuhr (=soziale Deklassierung) hier völlig gehemmt ist. Es ist nunmal so, dass Unsicherheit und Unterlegenheitsgefühl die Bereitschaft zu missbräuchlicher Machtausübung oft viel eher begünstigen als bremsen, und einem diesbezüglich selbstbewussten Täter würde ich eher eine Spontantat oder Eskalation eines zunächst freiwilligen Szenarios zuschreiben, jedenfalls eher ein Handeln im sozialen Nahbereich. Zu dem unsicheren Typen würde auch das Bedürfnis passen, die Leiche verschwinden zu lassen, die Tat soll insbesondere in seiner Umgebung (Kipfenberg) "unsichtbar" bleiben.
Also, der Typ plant folgendermaßen: Er hat einen geeigneten Ort zur Hand. Allein lebend, frei stehendes kleines Häusschen im dörflichen Umfeld nicht ungewöhnlich, vielleicht am Ortsrand, von der Oma geerbt oder so. Könnte natürlich auch ein anderes (zu der Zeit) nicht genutztes Gebäude sein, zu dem der Täter Zugang hat.
In diesem Szenario bin ich mir ziemlich sicher, dass er plant, sein Opfer über einen Zeitraum lebend festzuhalten, für fortgesetzten Missbrauch. Ganz einfach, weil es für eine einmalige Nummer nicht so recht passt, das Opfer nach dem Abgriff so weit und zu sich nach Hause zu transportieren.
Wo kann er dafür ein Opfer finden und abgreifen? Vor Ort in seiner Gegend nicht, dort soll auch danach "nichts passiert" sein, das Bedürfnis dieses Täters nach maximaler Unauffälligkeit geht da über das praktische "nicht erwischt werden" hinaus, niemand vor Ort soll auch nur auf die Idee kommen können, er könnte irgendwas damit zu tun haben. Er will jedenfalls auch nicht mit Ortsgespräch zum Fall konfrontiert werden.
Also anderswo. Und da scheint mir München absolut nahe liegend. Gut entfernt, um jegliche Verortung völlig zu vermeiden. Dennoch nah genug, um ggf. auch wiederholt abends mal hinzufahren auf des Suche nach einem Opfer. Anonym, als Ortsfremder, auch mit Kennzeichen von außerhalb, fällt man da null auf. Auch eine gute Hookline, anzuhalten und nach dem Weg zu fragen. Das Münchener Nachtleben ist jetzt nicht so berühmt, aber die Chance, nachts eine vereinzelte junge Frau in zu der Zeit ansonsten wenig frequentierter Gegend anzutreffen, jedenfalls besser als in Ingolstadt, Nürnberg oder irgendwelchen Käffern. Ob der Täter da Prostituierte im Blick hatte, unbestimmt. Soll ja einer um die Zeit von Sonjas Verschwinden herum Prostituierte in München komisch angequatscht haben, und Sonja war jedenfalls nicht in Sackleinen gekleidet. Wie auch immer, SMP werktags um diese nächtliche Zeit jedenfalls geeignet, um dort vorbeizufahren und mal zu schauen. Vielleicht wartet eine allein an der Tram oder am Taxistand, und wenn nicht, einfach weiter fahren und andere Locations abklappern.
Sonja war nun keine Prostituierte, die zu einem vermeintlichen Freier eingestiegen wäre, aber sie war alkoholisiert und wollte wohl nach Hause. Egal, wie genau der Täter sie in sein Fahrzeug bekommen und festgesetzt hat, die Frage nach dem genauen Hergang stellt sich da ja bei jedem ihr unbekannten Täter gleichermaßen. Ich stelle mir an der Stelle tatsächlich sowas vor wie anhalten, nach dem Weg fragen und Sonja steigt ein, um ihm den Weg zu zeigen, vielleicht weil es sie in die Nähe ihres Zuhause führt? Wie auch immer, er nimmt sie gegen ihren Willen zu sich nach Hause in der Gegend Kipfenberg mit.
Anstatt der hier oft geäußerten Vermutung, der Täter müsse doch auch persönlichen Bezug zu München haben und dort beruflich tätig und untergebracht gewesen sein, um dort werktags nachts eine Frau abzugreifen usw. würde ich viel eher sagen, München war auch ohne näheren persönlichen Bezug und anderweitigen Anlass für seine Anwesenheit ein nahe liegendes und geeignetes "Jagdrevier" für seinen Plan. Der war entweder nicht in Vollzeit berufstätig oder hat sich einfach in der Zeit Urlaub genommen gehabt, vielleicht offiziell, um bei sich zu Hause zu renovieren - würde jedenfalls zu der Malerfolie passen.
Ob seine Tat dann so verlaufen ist, wie er es sich vorgestellt hat, ob es seine Bedürfnisse (eher sozialpsychologischer Natur als "triebgesteuert", meine ich) befriedigt wurden, keine Ahnung. Das wäre interessant im Bezug auf etwaige Wiederholungstaten - die finden sinnigerweise nur dann ohne wesentliche Änderung (oder überhaupt) statt, wenn es für den Täter im Großen und Ganzen wie gewünscht gelaufen ist.
Jedenfalls, letztendlich muss Sonja sterben, das war von Beginn an eingeplant. Der Verbringungsort wurde vom Täter zuvor festgelegt, ob ihm schon länger vorher sowieso bekannt oder im Zuge der Tatplanung (die von Idee bis Umsetzung durchaus Monate oder Jahre dauern konnte) gesucht und gefunden, schwer zu sagen.
Wie gesagt, alles nur eine völlig optionale Vorstellung meinerseits. Hier ein Eindruck, da eine Idee, dort ein paar Möglichkeiten mangels Plausibilität verworfen. Ich würde da keinesfalls behaupten wollen, es habe sich insgesamt genau so abgespielt.
Aber die Punkte "junge Frau verschwindet nachts in München von der Straße weg", "die Auffindesituation legt eine sexuell motivierte Tat nahe" und "die Leiche wird 100km entfernt mit hohem Aufwand dauerhaft versteckt" bringe ich nur so in ein Gesamtbild, das mir(!) im Großen und Ganzen sinnhaft erscheint.