MORDFALL LIEBS -- Diskussion

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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von Hamburger » Samstag, 06. September 2025, 01:22:58

@HP1

Wenn ich Dich richtig verstanden habe, zeigt nach Deiner Ansicht Fraukes „Kooperation“ bei den Telefonaten ihre Hoffnung, vom Täter freigelassen zu werden – und damit auch, dass der Täter ihr Anlass zu dieser Hoffnung gab.
Als Frauke am Freitagabend in dem Telefonat mit ihrem Bruder zum ersten Mal ihre Rückkehr für „heute“ ankündigte, klang sie nach seiner Beschreibung „normal“. Das lässt vermuten, dass sie zumindest zu diesem Zeitpunkt an diese Möglichkeit glaubte. Aber es heißt nicht, dass der Täter jemals diese Absicht hatte – er hätte sie auch täuschen können, um sie aufzumuntern und dadurch den Anschein ihres freiwilligen Fernbleibens zu stärken.

Ich sehe nicht, dass die Hoffnung, vom Täter freigelassen zu werden, eine notwendige Voraussetzung für Fraukes Mitwirkung bei den Telefongesprächen war. Nach meiner Ansicht ist es sehr wahrscheinlich, dass Frauke hoffte, von der Polizei gefunden und befreit zu werden. (Das schließt eine zeitweilige Hoffnung auf Freilassung durch den Täter natürlich nicht aus.)

Frauke wusste, dass sie im Familien- und Freundeskreis als sehr zuverlässig galt und schon ihr Wegbleiben über eine Nacht für Beunruhigung sorgen würde. Sie kannte ihre Eltern, von denen nicht zu erwarten war, dass sie gottergeben ihre Hände in den Schoß legen würden.
Bereits in ihrem 1. Telefongespräch gab sie Chris mit dessen Anrede als „Christos“ einen eindringlichen Hinweis auf den Ernst ihrer Lage. Auch bei völligem technischen Unverständnis ist mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass Frauke bekannt war, dass die Polizei „irgendwie“ das Handy eines Entführungsopfers orten konnte. Chris‘ Frage in dem letzten Telefonat, ob sie wisse, dass die Polizei nach ihr suche, bejahte sie.
So hatte sie nach meiner Auffassung allen Grund zu der Annahme, dass die Anrufe der Polizei helfen würden, sie zu finden.

Zu der Frage, warum Frauke in den Gesprächen nie den Namen des Täters preisgab:
Zunächst hätte sie seinen Nachnamen kennen müssen; der Vorname allein hätte vermutlich, wenn er nicht ungewöhnlich gewesen wäre, wenig genutzt.
Außerdem hätte sie sich damit in größte Gefahr gebracht, vor allem, wenn sie ohnehin befürchtete, dass der Täter sie diese Gefangenschaft nicht überleben lassen wolle. Ihre einzige Chance hätte dann in der Rettung durch die Polizei bestanden – sie musste dafür sorgen, dass der Täter sie so lange wie möglich leben und sie die Anrufe fortsetzen ließ.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von Hamburger » Samstag, 06. September 2025, 00:11:10

@HP1

Ich gehe wie Du davon aus, dass Frauke alles versucht haben wird, um den Täter davon zu überzeugen, dass sie keine Gefahr für ihn ist und er sie freilassen kann.

Du entwirfst ein Szenario, in dem der Täter Frauke festhält, weil er die Folgen der Ohrfeige fürchtete.

Einem nicht unterdurchschnittlich intelligenten Täter müsste klar gewesen sein, dass eine Freiheitsberaubung ein weitaus schwereres Verbrechen als eine Körperverletzung durch eine Ohrfeige ist.
Bis zur öffentlichen Bekanntgabe polizeilicher Ermittlungen vergingen ca. 40 Stunden - warum ließ der Täter Frauke nicht innerhalb dieses Zeitraums gehen? Er wollte doch selbst seine "Notlage" beenden, und an Fraukes "Unterstützung" dieses Vorhabens zweifeln wir ja beide nicht.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von Hamburger » Freitag, 05. September 2025, 23:44:31

@HP1


Du sprichst einige sehr interessante Punkte an, auf die ich sehr gern eingehen möchte, aber meine Erwiderung muss ich auf mehrere Posts verteilen, die sich vielleicht auch noch morgen fortsetzen werden.
Die Beiträge des Pünktchenmanns lasse ich unberücksichtigt, weil ich ihn für einen nicht ernstzunehmenden Wichtigtuer halte, der durch den inkonsistenten Wechsel von Sprach- und Reflexionsebenen die Glaubwürdigkeit seiner Darstellung selbst ruiniert. (Vor längerer Zeit diskutierten wir beide schon mal darüber.) Ich gehe davon aus, dass er hier schon länger mitlas und wusste, mit welchen Behauptungen er im Forum Aufsehen erregen konnte. Aber solche Einwände betreffen Deine Überlegungen nicht.

HP1 hat geschrieben: Freitag, 05. September 2025, 09:01:17
Nein, gemeint ist, hier wird oft schnell jedes sichtbare oder postulierte Entscheiden und Handeln des Täters als durchdacht, vernünftig absichtsvoll, mit realistischer Risikoeinschätzung usw. angenommen und entsprechend interpretiert, im ganzen Ablauf zuverlässig einem gegebenen und fehlerfreien Masterplan folgend, so in etwa. Nur weil Frauke am Ende tot ist und der Fall bis heute nicht aufgeklärt ist, heißt das doch lange nicht, dass hier eine Tat ganz nach den Wünschen und Vorstellungen des Täters erfolgreich verlaufen sein muss.
Zwar gehe ich eher von einer geplanten Tat aus, sehe aber keinen "fehlerfreien Masterplan". Nach meiner Vermutung geriet der Täter in Bedrängnis, weil sich vieles anders entwickelte, als er geplant hatte. Ohne viel Glück wäre er, so meine Vorstellung, der Polizei nicht entkommen.
HP1 hat geschrieben: Freitag, 05. September 2025, 09:01:17

"Mit ihr irgendwo hingefahren, wo er sie belästigen und schlagen konnte" ist doch genau wieder die Einwertung seines Handelns als geplant böse-absichtsvoll, souverän.
Hier hatte ich mich missverständlich ausgedrückt; ich war Deinem Gedankengang gefolgt, dass der Täter ohne „böse“ Absicht eine Annäherung an Frauke versuchte, sie aber nach der Eskalation der Ohrfeige keine Möglichkeit hatte, zu fliehen oder Hilfe durch andere zu erhalten.
Auch Deine weitere Schilderung finde ich unter solchen Umständen plausibel: Dass Frauke die Entschuldigung des Täters (scheinbar) akzeptierte und ihn zu beruhigen versuchte. Wenn sie mit dem Täter in einer einsameren Gegend im Auto saß, wäre es sehr verständlich gewesen, dass sie den Täter nicht provozieren wollte und sich lieber den Anschein gab, freiwillig bei ihm zu bleiben und ihm helfen zu wollen.

Folgen kann ich auch Deiner Vorstellung, dass Frauke in dieser Situation den Eindruck gehabt haben kann, sie hätte die Situation unter Kontrolle und könnte in absehbarer Zeit zu Hause sein. Aber nicht vorstellbar ist mir, dass Frauke in dieser Situation eine so vergnügt klingende SMS geschrieben hätte. „Komme später“ – ja, aber nicht „Das Spiel war lustig nicht gegen England“ (noch dazu mit Smiley).
Es ist diese SMS, die nach meiner Ansicht zu Deinem Szenario überhaupt nicht passt.

Ich hielte es durchaus für möglich, dass der Täter das Glück verreister Eltern hatte und auf ein leerstehendes EFH zugreifen konnte. Auch wäre es mir vorstellbar, dass Frauke „freiwillig“ in dieses Haus gegangen wäre, wenn sie keine Chance auf Flucht oder Hilfe gesehen hätte. Auch wenn sie befürchtet hätte, der Täter würde sie nicht mehr einfach gehen lassen, hätte sie vielleicht nicht durch (aussichtslosen) Widerstand dem Täter die Illusion „gemeinsamen“ Handelns nehmen wollen, die ihre einzige Chance war, dem Täter zu entkommen. Das alles ist für mich vorstellbar - aber nicht die SMS nach dem Übergriff.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von Trodat5203 » Freitag, 05. September 2025, 23:32:31

DB Cooper hat geschrieben: Montag, 01. September 2025, 19:51:10 Es ist auch möglich, dass ihr Entführer sie beim Italiener bereits ins Visier nahem und mitbekam, dass sie noch in den Pub wollte. Ein Tischnachbar zum Beispiel. Das wäre auch niemandem aufgefallen.
Auch das. Darüber habe ich auch schon oft nachgedacht. Derjenige hätte dort durchaus ohne Probleme mit kriegen können, wohin Frauke noch will. Gerade weil Frauke gerne mit lautem Stimmchen gesprochen haben soll.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von Trodat5203 » Freitag, 05. September 2025, 23:27:37

HP1 hat geschrieben: Montag, 01. September 2025, 04:48:52 ... nur so ein Eindruck, bzw. die Frage, wie man "komm gerne vorbei" denn sonst noch verstehen könnte. Mein Gedanke ist, Frauke könnte ihre Teilnahme kurzfristig in Frage gestellt haben, weil sich noch eine andere Option ergeben hatte.

Nunja, letztlich spielt es im Grunde keine Rolle, ob sie einen ihr bekannten späteren Täter nun zufällig, "zufällig" oder von ihr gewollt getroffen hat.
Das ist in der Tat seltsam, wenn es diese Nachricht von Isabella so gab. Im Stawski Podcast sitzen Stawski und Bella ja noch zum Interview im Pub zusammen nachdem Niels diesen schon verlassen hat. Da drückt Isabella dem Stawski 2 Zettel in die Hand. Briefchen von Frauke an Isabella, in dem einen schreibt Frauke: "Niels kommt mit Arbeitskollege gegen 23 Uhr zum Pub." Bedeutet: Frauke muss schon vorher geplant haben an diesem Abend im Pub zu sein und hat Niels vermutlich dahin eingeladen. Und sowas macht man nicht, wenn man nicht sicher ist, dass man selbst dann auch dort anwesend sein wird. Eigentlich merkwürdig dann noch anderweitig Verabredungen einzugehen. Das ist Punkt 1. Punkt 2 ist eben genau diese Verabredung mit Niels, auf die sich Frauke ja scheinbar gefreut hatte und die eben nicht von ihr, sondern von Niels abgesagt wurde und das kurzfristig erst an besagtem Abend im Pub. Wäre Niels noch erschienen, hätte er sie dann nicht sicherlich nach Hause fahren wollen? Hätte Frauke dies dann abgelehnt aufgrund der geheimnisvollen anderen Person? Auch irgendwie komisch, um ehrlich zu sein. Da hätte sie sich selbst ja mit der Einladung von Niels in den Pub alles verkompliziert.

Nun lässt sich dadurch aber natürlich NICHT ausschließen, dass Frauke nicht noch im Anschluss anderweitig eine vllt lose Verabredung getroffen haben könnte mit z.B. eigens von ihr entworfenem Plan: "Niels kommt um 23 Uhr, ich bleibe so bis 0 Uhr und sage dann ich muss nach Hause und dann schaue ich Mal noch bei XY vorbei.." Wenn sie nun also Isabella nichts davon sagen wollte, vllt, damit Niels es nicht erfährt und nachher traurig oder sauer ist weil er vllt doch mehr Interesse an Frauke hatte als Frauke an ihm und sie dies ahnte, macht es Sinn sich nach Spielende schon mit der Aussage: "Ich bin müde und Chris wartet" zu verabschieden und früher als ursprünglich geplant die andere Verabredung aufzusuchen. Bedeutet dann in meinen Augen, Frauke müsste genau gewusst haben, wo sich diese Person an dem Abend aufhält und dies scheint dann absolut nicht in der Richtung gewesen zu sein in die die anderen den Pub verließen, sonst hätte Frauke mit denen ja mitgehen können und noch Zeit totschlagen bis zur verabredeten oder in etwa verabredeten Uhrzeit.

Jedenfalls macht in diesem Kontext die auf mich hastig geschriebene SMS an Chris mit entsprechendem Wortlaut Sinn, wenn sie nach verlassen des Pubs im Laufen mit so gut wie plattem Akku von Frauke verfasst wurde, denn normalerweise ohne den Umstand des vergessenen Schlüssels hätte Frauke Chris ja überhaupt keine Meldung geben müssen darüber, dass es später wird.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von beyourselftonite » Freitag, 05. September 2025, 23:13:28

Oder hier, dieses Exemplar:

Man stelle sich einen Typ vor, der tagsüber einen eher unscheinbaren Job macht, vielleicht im Schichtdienst oder als Fahrer, und abends zwei Leidenschaften hat: Internet und Umherfahren. Er hängt online in Foren, Communities, auf Partybilder-Seiten, und irgendwann stolpert er immer wieder über Frauke. Sie posiert gern, sie lacht, manchmal auch etwas kokett – solche Bilder brennen sich bei einem einsamen, stillen Kerl ein, der sein Leben eher aus zweiter Reihe führt.

Er wird zum „Taxi Driver“ im doppelten Sinn: ständig mobil, kennt jede Ecke in und um Paderborn, fährt auch nachts noch Runden, einfach um unterwegs zu sein. Und wie Robert De Niros Figur im Film steigert er sich immer mehr in seine eigene Sicht der Dinge hinein: er glaubt, er kenne Frauke. Durch Fotos, durch ihre Art, vielleicht auch, weil er sie in Lokalen oder draußen mal am Rand gesehen hat.

Das ist keine plumpe „ich will Sex“-Story wie bei PM. Sondern eine Obsession: er will Nähe, er will „gesehen werden“ von ihr. Aber er weiß gleichzeitig, dass er eigentlich keine Chance hat. Also bleibt er im Unsichtbaren. Bis zu diesem Abend – wo für ihn plötzlich die Gelegenheit da ist, den Sprung zu wagen.

Die erste SMS passt hier fast noch besser: kein Masterplan, sondern ein überforderter Typ, der sofort merkt, dass sein Handeln Folgen hat, und versucht, alles zu glätten. „Komm später“ klingt harmlos, wie ein Versuch, Normalität zu bewahren. Auch die späteren Anrufe wären in diesem Narrativ nicht primär Täuschung, sondern Teil seines Versuchs, die Situation irgendwie im „Normalen“ zu halten.

Und genau hier liegt die Tragik: dieser Mann wollte nicht unbedingt, dass es so endet – aber er war unfähig, den obsessiven Kreislauf zu verlassen. Die Obsession war stärker als sein Realitätssinn.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von beyourselftonite » Freitag, 05. September 2025, 20:45:47

Hamburger hat geschrieben: Freitag, 05. September 2025, 20:21:10 Da stimme ich Dir vollkommen zu. Die Diskussion lebt ja davon, dass wir - aus unterschiedlichen Perspektiven - die Wahrscheinlichkeit der einzelnen Ansätze abwägen.
Eben. Es gibt nicht den einen Goldkanten Vorschlag, der dann nur noch ein wenig "authentisch" rüberkommen muss und dem Forums Platzhirsch zur Ehre gereicht, wie beim PM Auftritt. Gerade die weniger wahrscheinlichen Möglichkeiten sind vermutlich doppelt so wahrscheinlich, wie man sie gemeinhin in die Mischung der möglichen Ausgänge einschätzen würde.
Anders ausgedrückt: Ohne rauchenden Colt sucht man sich wund, mögen auch noch soviele recycelte Ideen in einer Theorie verarbeitet worden sein.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von Hamburger » Freitag, 05. September 2025, 20:21:10

beyourselftonite hat geschrieben: Freitag, 05. September 2025, 09:49:33
[...]

Tatsächlich gibt es aber eben nicht nur den einen plausiblen Ablauf. Vielmehr existieren mehrere Möglichkeiten – auch einige weniger wahrscheinliche –, die man nicht einfach ausblenden kann. Und da wir als Außenstehende ohnehin nur mit Sekundärquellen arbeiten, ist es schlicht kaum möglich, sich auf einen einzigen Hergang festzulegen.
Da stimme ich Dir vollkommen zu. Die Diskussion lebt ja davon, dass wir - aus unterschiedlichen Perspektiven - die Wahrscheinlichkeit der einzelnen Ansätze abwägen.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von beyourselftonite » Freitag, 05. September 2025, 18:30:58

Ich bringe mal einen anderen Entwurf. Ganz nach dem Motto, es geht auch völlig anders...

Nehmen wir Fraukes Nightlife. Was bei den damaligen Partyfotos auffällt: Frauke ließ sich oft offen, manchmal fast freizügig fotografieren. Für die meisten war das schlicht Spaß, Erinnerung an den Abend. Aber für jemanden mit obsessiver Wahrnehmung kann genau daraus ein Trigger entstehen – ein Bild, das er immer wieder anschaut, in dem er mehr sieht, als tatsächlich drinsteckt.

Wenn man die Stalker-Hypothese ernst nimmt, könnte das die Art von 'Anker' gewesen sein, an dem sich sein Fixieren entzündet hat. Da reicht schon eine scheinbar harmlose Pose oder ein Lächeln, das er fehlinterpretiert. Und solche Fehlwahrnehmungen sind bekanntlich nicht selten, wenn jemand in seine eigene Geschichte hineingerät.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von beyourselftonite » Freitag, 05. September 2025, 15:02:17

Wenn man’s genau nimmt, basiert die ganze Erzählung von PM auf einem einzigen Detail: dem fehlenden Zahn. Schade nur, dass so ein Zahn auch ganz ohne Schelle rausfallen kann. Da hängt die Theorie dann am Ende selbst ein bisschen… naja, locker im Gebiss.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von Blanka » Freitag, 05. September 2025, 12:10:12

Ein planender Täter hätte sie aber nicht ständig ankündigen lassen, dass sie nun nach Hause kommt mE, das macht eben eher den unbeholfenen Eindruck, dass er selbst noch nicht wusste, wie er diese missliche Lage lösen bzw. beenden will, und die Anrufe dienten ein ums andere mal der Zeitgewinnung

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von beyourselftonite » Freitag, 05. September 2025, 09:49:33

@Hamburger,
Natürlich kennen wir den genauen Ablauf nicht. Gerade deshalb sollten wir vorsichtig sein mit dem Bild vom souveränen, planenden Täter. Ebenso denkbar ist ein improvisierendes, überfordertes Handeln, das im Rückblick nur so wirkt, als sei es glatt verlaufen. Genau in diesem Spannungsfeld bewegen wir uns.

Wenn man alle denkbaren oder wahrscheinlichen Ausgänge einzeln durchprüfen wollte, käme schnell der Vorwurf, nicht genug eingegrenzt zu haben. Tatsächlich gibt es aber eben nicht nur den einen plausiblen Ablauf. Vielmehr existieren mehrere Möglichkeiten – auch einige weniger wahrscheinliche –, die man nicht einfach ausblenden kann. Und da wir als Außenstehende ohnehin nur mit Sekundärquellen arbeiten, ist es schlicht kaum möglich, sich auf einen einzigen Hergang festzulegen.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von HP1 » Freitag, 05. September 2025, 09:01:17

@Hamburger Danke für deine Einwände :)

Das kam vielleicht falsch rüber mit dem "Dulli" - ich meine nicht, dass der Täter explizit dumm im Sinne von allgemein geistig minderbegabt oder naiv, einfältig wäre. Schon möglich, dass er keine große Leuchte ist, aber das ist hier gar nicht entscheidend.
"Dulli" kenne ich eher als Bezeichnung für einen beliebigen Typen ohne bemerkenswerte Eigenschaften, die eine Rolle spielen würden/müssten. Stimmt natürlich nicht im Hinblick auf die fortgesetzte Entscheidung (basiert eher auf Unfähigkeit als Entscheidung, meine ich) für einen Vertuschungs-Blindflug anstatt die Konsequenzen für sein Handeln in Kauf zu nehmen, zunächst nicht mehr als eine heftige Ohrfeige im Affekt. Sehr unschön, aber überschaubar. Das ist schon bemerkenswert.
Nein, gemeint ist, hier wird oft schnell jedes sichtbare oder postulierte Entscheiden und Handeln des Täters als durchdacht, vernünftig absichtsvoll, mit realistischer Risikoeinschätzung usw. angenommen und entsprechend interpretiert, im ganzen Ablauf zuverlässig einem gegebenen und fehlerfreien Masterplan folgend, so in etwa. Nur weil Frauke am Ende tot ist und der Fall bis heute nicht aufgeklärt ist, heißt das doch lange nicht, dass hier eine Tat ganz nach den Wünschen und Vorstellungen des Täters erfolgreich verlaufen sein muss. Doch genau das scheint hier manchmal die stille, implizite Voraussetzung zu sein, oder nicht?
Und gerade das ist bei einem Täter, der ungeplant in die Tat einsteigt und das vorab gar nicht angestrebt hatte, nicht zu erwarten. Ein durchschnittlicher Typ ("Dulli") ist da doch maximal im Stress, empfindet Entdeckungsangst und resultierend Handlungsdruck ohne einen Plan, wie er sein Ziel erreichen soll, in welche Richtung er sein Handeln lenken soll. Zunächst mal Aufrechterhalten des Status Quo, mehr ist da nicht. Fraukes Tod als Option oder gar Zielsetzung kam in diesem Szenario erst später, meine ich, breite ich hier jetzt aber nicht nochmal aus.
Hamburger hat geschrieben: Freitag, 05. September 2025, 03:17:49 Ein unterdurchschnittlich intelligenter Täter hätte vermutlich nicht viel verdient und eher in einem einfachen Mietshaus ohne Tiefgarage gelebt.
(...)
Lassen wir das "unterdurchschnittlich intelligent" weg, dann stimmt der Einwand natürlich trotzdem, wenn man von einem eher jungen Mann ausgeht, der irgendwo im KH arbeitet - im Zweifelsfall in der Pflege, ist aber offen.
Klar, in einem Mehrparteienhaus, wo er mit ihr durch ein Treppenhaus muss, oder nur ein Kellerabteil neben denen der anderen Bewohner hat usw., das funktioniert nicht.
Wie wäre es mit einem jungen Mann, der noch bei seinen Eltern (in deren EFH) wohnt, möglicherweise ist er sogar selbst noch Azubi, vielleicht anderer Jahrgang als Frauke, oder Berufsanfänger frisch aus der Ausbildung. Vielleicht bewohnt er dort eine Soutterain-ELW mit direktem Zugang zum Keller, zur Garage, die Eltern sind gewohnt, dass er laut Musik hört und öfters auch später Abends noch losfährt, während der WM vielleicht sowieso zum feiern, vielleicht sind die Eltern in Urlaub... Schon richtig, die Möglichkeit Frauke unbemerkt eine Woche in einem EFH unterzubringen wie von dem PM behauptet, die haben die meisten nicht (übrigens auch Ältere/besser Verdienende nur vereinzelt, die meisten leben da entweder nicht allein oder bewohnen alleinlebend dann kein ganzes Haus). Aber es kann doch schon sein, dass er in dem Punkt einfach "Glück" hatte, diese Möglichkeit zur Hand zu haben. Ist jetzt ja nicht so, dass man da wunder weiß welche unplausiblen oder extremen Vorannahmen zusammenstricken müsste, um das als Möglichkeit zu rechtfertigen. Aber völlig richtig, ist ein Punkt wo die Pünktchengeschichte nicht unbedingt die Frage nach hoher Wahrscheinlichkeit bedient. Wär ja auch zu glatt, wenn dem seine Geschichte an allen Stellen maximal wahrscheinlich wäre ;)
Hamburger hat geschrieben: Freitag, 05. September 2025, 02:51:00 (...)
2.
Zwischen dem Verlassen des Pubs und dem Versand der 1. SMS lagen etwa 2 Stunden.
Nach dem Szenario von @HP1 müsste sich, wenn ich ihn richtig verstanden habe, in diesen 2 Stunden folgendes abgespielt haben: Der Täter müsste mit Frauke irgendwo hingefahren sein, wo er sie belästigen und schlagen konnte, ohne dass es Frauke möglich gewesen wäre, zu fliehen oder andere zu Hilfe zu rufen.
Danach wäre er erstmal hilflos mit Frauke durch die Gegend gefahren – aber innerhalb kürzester Zeit sollte er trotz seiner Dummheit und Aufregung auf die Idee gekommen sein, Frauke ihrem Mitbewohner eine SMS schicken zu lassen. Das erscheint mir als reichlich unwahrscheinlich.
Nein, nicht ganz. Ich orientiere mich da schon an der Erzählung des PM, auch wenn ich das ursprünglich mal so modelliert hatte, dass man etwa zum Mecces rausgefahren ist und der Konflikt erst dort irgendwo entstand.
"Mit ihr irgendwo hingefahren, wo er sie belästigen und schlagen konnte" ist doch genau wieder die Einwertung seines Handelns als geplant böse-absichtsvoll, souverän. Man was auf dem Uni-Parkplatz, er hat sexuelles Interesse gezeigt (ob in belästigender Weise, nicht zu sagen), sie lehnt ab, er schlägt im Affekt zu, aus Frust oder meinetwegen verletzten Gefühlen. Wie man von diesem Punkt dahin kommt, dass sie mit ihm mitfährt, tatsächlich etwas nebulös. Frauke soll nach dem Schlag perplex, fassungslos gewesen sein. Saß man bei dem Schlag bereits im Auto oder nicht?
Jedenfalls die Situation an der Stelle und bis auf weiteres keinesfalls ein hartes "ich lasse dich nicht mehr gehen, und wenn ich dich umbringen muss", eher habe ich das Bild vor Augen, dass er sich sofort (aus Angst vor den Konsequenzen) wortreich entschuldigt und realisiert, wenn sie jetzt heimgeht, fragt sie jeder wegen der dicken, vermutlich aufgeplatzten Lippe oder so. Losfahren "um nachzudenken", um mit ihr zu klären, sich zu versichern, dass sie nichts sagt, oder auch, weil dort auf dem Parkplatz jederzeit wer vorbeikommen und Fragen stellen könnte, angesichts einer heulenden und verletzten Frauke? Dass Frauke da mitzieht, sich seinem "Plan", seiner Aktivität zur Suche eines folgenlosen Verlaufs unterordnet anstatt auszurasten und das Weite zu suchen, erscheint erstmal völlig unplausibel. Aber auch da ist der Haken, dass man Frauke in dem Moment dieser Situation nicht unbedingt als rational und vor allem beherzt-durchsetzungsstark voraussetzen kann. Nein, ich sehe Frauke da als unter Schock, überfordert, für den Moment (oder auch noch eine Zeitlang darüber hinaus) nicht oder nur eingeschränkt zu beherztem Handeln und Widerspruch in der Lage. Das wäre nicht so abwegig, dass sie, wenn sie sich eigentlich vorher mit dem Typen gut verstanden hat und er sich nach der Schelle sofort groß und bestürzt entschuldigt hat, den gar nicht in dem Maße als unmittelbare Gefahr wahrnimmt und in ihrer Überforderung seiner plötzlichen Aktivität (losfahren, nachdenken, besprechen/klären) folgt. Zu dem Zeitpunkt und genauso noch 0.49 Uhr im Raum Nieheim, Frauke mag sich da etwas gefasst haben, der Typ ist zwar maximal in Unruhe, hat aber keine weitere gegen sie gerichtete Haltung/Handlung gezeigt. Da besteht bei beiden noch keinerlei Perspektive, dass das der Anfang einer fortgesetzten Freiheitsberaubung sein könnte. Für Frauke ist ohne groß drüber nachzudenken selbstverständlich, dass sie zeitnah wieder zu Hause sein wird, auch wenn die Situation da noch ungeklärt ist. Ist einfach so eine Normalitätsannahme die eintritt, wenn die Alternative zu crazy ist, gedanklich nicht fassbar in dem Moment. Dass sie dann die SMS an Chris schickt, passend. Erstmal dem Mitbewohner Bescheid sagen, der wartet ja. Kein gesehener Anlass für einen "Hilferuf", sie kann ihm berichten wenn sie (als selbstverständlich angenommenes) "nachher" wieder zu Hause ist, oder auch nichts erzählen - nicht zu sagen, wie sie da zu des Täters Ansinnen steht, dass die Schelle folgenlos bleiben soll. Dennoch, sie ist aufgewühlt, im Moment die Situation weit wichtiger und präsenter als der wartende Chris, mir gut denkbar, dass sie da die bereits erhebliche Verspätung und den deshalb unpassend wirkenden Text nicht so realisiert. Und wenn sie da nicht weiß, wie es grad weitergeht, was soll sie da auch anders schreiben als nur "komme später"? Und der Täter, was sollte er dagegen gehabt haben? Ortung kein Thema - nicht weil Nieheim eh nicht mit ihm in Verbindung steht, sondern weil fortgesetzte Entführung noch gar nicht auf dem Schirm. Klar wird er geschaut haben, was sie schreibt und hätte bei einem Hilferuf, Äußerungen über das Geschehene, wohl interveniert. Aber so, warum nicht? Wir befinden uns da noch in einer Situation, die zwar hoch konfliktär ist, die aber in der Wahrnehmung Fraukes wie des Täters nach wie vor sozusagen ganz in der Alltagsnormalität gerahmt, eingebettet ist.
Wie es dann weitergeht, so dass Frauke die ganze Nacht und auch den nächsten Tag (Mittwoch) nicht heimkommt, stattdessen im Handlungsbereich des Täters vom Radar verschwindet - das ist eine Black Box, da wird sie an einem (mMn eher frühen, aber ich weiß es nicht) Zeitpunkt protestiert haben, "die Schnauze voll gehabt" haben. an einem Punkt muss er da zu offenem Zwang übergegangen sein, die Frage, wie sie denn mit dicker Lippe folgenlos wieder nach Hause könne nach wie vor ungelöst, Frauke mittlerweile wieder selbstbewusster und aufgebracht, vielleicht konnte er sich nicht mehr darauf verlassen, dass sie ihn nicht anzeigen würde, oder so?
Keine vorausgeplante Tat, kein fester Zeitpunkt, wo es mit einem "klick" von entspannt zwanglos zu 100% Zwang und Freiheitsberaubung gegen den Willen Fraukes geswitcht hätte, kein bedacht-vernünftiges Wahrnehmen der Situation mit guten Entscheidungen - bei beiden nicht, wenn man so will. Beide überfordert von der mit der Schelle unvermittelt gekippten, eskalierten Situation, er verfällt aus Angst alternativlos in Vertuschungsaktivität, sie ordnet sich unter Überforderung/Schock dem fürs erste unter, folgt dem, vielleicht ohne es groß zu hinterfragen. Ist übrigens keine seltene Spontanreaktion bei Opfern etwa sexueller Übergriffe aus dem sozialen Umfeld, dass sie sich das Narrativ, die Interpretation und Rechtfertigung des Täters erstmal zu eigen machen, oder seine Entschuldigung annehmen - einfach weil sich die Alternative schlimmer anfühlt. Dass das psychisch-emotional so nicht funktioniert, erleben sie dann erst im weiteren Nachgang.

So, da habe ich jetzt wieder länger drauflosgeschrieben. Kann im Detail natürlich auch anders sein (oder die Story ist generell unzutreffend, natürlich, wir reden hier ja nach wie vor immer nur von Möglichkeiten), macht wenig Sinn, da jedes Detail hinsichtlich möglicher Varianten zu diskutieren. Grundidee und Gesamtbild sind da entscheidend.
Hamburger hat geschrieben: Freitag, 05. September 2025, 04:19:00


Nach meiner Ansicht übersieht Du einen wichtigen Unterschied. Die polizeilichen Entwicklungen wären vermutlich anders verlaufen, wenn Frauke nach dem Pubbesuch "spurlos" verschwunden wäre und es die 1. SMS und die Anrufe nicht gegeben hätte.

In diesem Fall wären die Polizei und die Öffentlichkeit von dem Nachhauseweg als Tatort ausgegangen und die Ermittlungen hätten sich auf die Umgebung des Pubs und den anschließenden Weg (bzw. die möglichen Wege) konzentriert.
(...)
Mag sein, aber das ist hier nicht der Punkt, kein "was wäre wenn". Es geht darum, dass die tatsächlich stattgefundenen Anrufe ein auffälliges und eindruckstarkes Alleinstellungsmerkmal sind, während die anderen uns tatsächlich bekannten Details dünn und im Vergleich mit anderen gelösten oder ungelösten Vermissten- oder Mordfällen nicht bemerkenswert, sondern quasi recht beliebig daherkommen.
Hamburger hat geschrieben: Freitag, 05. September 2025, 04:19:00 Der 1. Anruf erfolgte einige Stunden, nachdem die Polizei die Aufnahme von Ermittlungen öffentlich bekanntgegeben hatte. Das Lebenszeichen der Anrufe führte zur Entwarnung bei der Polizei – und ich glaube, es ist doch recht wahrscheinlich, dass genau das auch die Absicht des Täters war.
Das sehe ich auch so, aber in der Hypothese eines Tatgeschehens gemäß dem PM vielleicht in einem etwas anderen Gesamtbild als du. Ja, Entwarnung, vorgebliche Freiwilligkeit/Selbstbestimmtheit Fraukes auf jeden Fall. Aber nicht in dem Sinne, eine vorgesehene fortgesetzte Freiheitsberaubung mit abschließendem Mord der erfolgreichen polizeilichen Ermittlung zu entziehen, genau das ist wieder das planvoll-zielgerichtete Handeln, ein "die Tat begehen wollen", das beim Täter immer wieder automatisch angenommen wird. Sondern weil es mit dem offiziellen und öffentlich gemachten Verdacht einer Freiheitsberaubung genau in die entgegengesetzte Richtung geht dessen, was der Täter will, nämlich das Ganze ("eigentlich doch nur eine Ohrfeige, ich will sie doch gar nicht festhalten, ich/wir suchen doch nur nach einer Lösung"...) folgenlos beenden, quasi ungeschehen machen. Dass er da keinen realistischen Plan hat, wie das ablaufen sollte, einerlei. Der hat sich da in eine Vermeidung/Vertuschung reinmanövriert und weiß nicht, wie er da wieder rauskommen soll. Nur, dass es mit der öffentlichen Aufmerksamkeit und Deutung ihres Verschwindens als mutmaßlichem Verbrechen immer schlimmer wird. Und Frauke? So lang er keinerlei Anzeichen/Konsequenz erkennen lässt, dass das Ganze in ihrem Tod statt Freilassung enden könnte, für sie auch ein undenkbarer Ausgang. sofern er ihr gegenüber nicht klar aggressiv, drohend, ggf. gewalttätig auftritt, ist mitziehen und kooperieren, bis er zur Einsicht kommt oder so vielleicht nicht das Verkehrteste. Vielleicht war der auch cholerisch drauf, friedlich solang sie mitzieht, aber sofort bedrohlich, wenn ihm ihre Äußerungen nicht gepasst haben? Klar muss er auf eine Weise die Kontrolle ausgeübt haben, Frauke wäre garantiert abgehauen, wenn sie gekonnt hätte. Aber ab wann? Insbesondere dass sie bei den Anrufen kooperiert und da nichts von ihrer tatsächlichen Lage preisgibt, sondern nur ihre baldige Heimkehr (von der sie da auch nach wie vor ausgeht, bis Sonntag) ankündigt - die wären da doch auch ganz in ihrem Interesse, sie unterstützen und explizieren die gemeinsame(!) Zielsetzung nach einem "guten Ende".

Ist natürlich in sofern vage, als dass man sich da nur schwer vorstellen kann, wie das da im tatsächlichen "Entführungsalltag" praktisch ausgesehen haben soll. Zumindest meine Vorstellungskraft findet da zu keinem klaren Bild, meine (zumindest eingebildete) Fähigkeit, mich hineinzuversetzten, kommt da klar an ihre Grenzen. Dennoch, diese offene Frage betrifft doch im Zweifel jeden Hergang mit einem Einzeltäter, in weiten Teilen genauso bei mehreren Tätern. Wie wurde sie festgehalten, wie wurden die Anruffahrten durchgeführt, wie hier Fraukes Kooperation erreicht usw.
Mit einer Frauke, die zunächst selbstverständlich davon ausgeht, dass das soweit gut ausgehen wird, für die ihr Tod als Abschluss zunächst undenkbar ist, die vielleicht viel eher erwartet, dass der Täter von selbst drauf kommt, dass er keine Wahl hat "aufzugeben" - mit so einer Frauke sollte das alles doch im Grunde viel eher einfacher zu handhaben gewesen sein, oder nicht? ;)
Aber nein, wir orientieren uns immer wieder an der gedanklichen Vorlage eines bösartig auftretenden, alle Widerstände mit Zwang brechenden und den Verlauf auf ein gesetztes Ziel hin souverän bestimmenden Täters. Und folgerichtig notwendigerweise auf ein willenloses, zum Geschehen nichts beitragenden marionettengleichen Opfers.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von Hamburger » Freitag, 05. September 2025, 04:19:00

HP1 hat geschrieben: Donnerstag, 04. September 2025, 13:41:19 ...

[...]

"Zentrale Frage" deshalb, weil ohne die Anrufe der ganze Fall reduziert wäre auf "Junge Frau verschwindet abend spurlos auf ihrem Heimweg, Überreste werden später im Wald gefunden und bringen keine Erkenntnisse, die Hinweise zu Täter oder Hergang liefern. Ermittlungen in ihrem Umfeld bleiben ergebnislos." Und solche Fälle gibts zuhauf.

Nach meiner Ansicht übersieht Du einen wichtigen Unterschied. Die polizeilichen Entwicklungen wären vermutlich anders verlaufen, wenn Frauke nach dem Pubbesuch "spurlos" verschwunden wäre und es die 1. SMS und die Anrufe nicht gegeben hätte.

In diesem Fall wären die Polizei und die Öffentlichkeit von dem Nachhauseweg als Tatort ausgegangen und die Ermittlungen hätten sich auf die Umgebung des Pubs und den anschließenden Weg (bzw. die möglichen Wege) konzentriert.

Durch die 1. SMS wurde der Fokus der Ermittlungen auf Nieheim verlagert, und die Polizei und die Öffentlichkeit (also auch potentielle Zeugen) gingen davon aus, dass Frauke auf dem Nachhauseweg nichts passiert war.
In der lokalen Zeitung wurden zwar kurz nach Fraukes Verschwinden die in Frage kommenden Wege vom Pub zu Fraukes Wohnung skizziert, aber es wurde lediglich gefragt, ob jemand Frauke gesehen habe, und wenn ja, in welcher Begleitung. Aber beispielsweise Personen, die sich an diesem Abend längere Zeit in der Nähe des Pubs aufhielten, spielten keine Rolle.

Der Täter muss mit Frauke aber außerhalb des Pubs zusammengetroffen sein, denn Frauke verließ den Pub allein. Wenn Frauke also etwas passiert war, so die Suggestion durch die 1. SMS, dann erst nach deren Versand – und durch eine Person, die ihr vertraut war.

Der 1. Anruf erfolgte einige Stunden, nachdem die Polizei die Aufnahme von Ermittlungen öffentlich bekanntgegeben hatte. Das Lebenszeichen der Anrufe führte zur Entwarnung bei der Polizei – und ich glaube, es ist doch recht wahrscheinlich, dass genau das auch die Absicht des Täters war.
Und für wahrscheinlich halte ich es auch, dass die Polizei so kurz nach Fraukes Verschwinden Spuren des Täters hätte finden können, wenn sie ihre Ermittlungen (erst recht ohne Ablenkung durch Nieheim) fortgesetzt hätte. Ich halte es jedenfalls für eine plausible Möglichkeit, dass der Täter das befürchtete.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von Hamburger » Freitag, 05. September 2025, 03:17:49

beyourselftonite hat geschrieben: Donnerstag, 04. September 2025, 23:46:08
[...]
Ein unscheinbarer Keller, eine geschlossene Tür, Nachbarn, die nicht hinhören – schon ist es möglich, eine Woche lang unbemerkt zu bleiben.
[...]
Ein unterdurchschnittlich intelligenter Täter hätte vermutlich nicht viel verdient und eher in einem einfachen Mietshaus ohne Tiefgarage gelebt. Er hätte dann also das Problem gehabt, Frauke unbemerkt zu seinem Auto zu bringen, aber es wäre keineswegs in Fraukes Interesse gewesen, unbemerkt zu bleiben. Gerade bei einen dummen und überforderten Täter hätte Frauke mehr als eine Gelegenheit gehabt, diesen Plan zu durchkreuzen.

Von dem Transport in der ersten Nacht ihrer Entführung abgesehen, gab es 5 Fahrten zu den Telefonaten. Die Rückfahrten hinzugerechnet, hätte der Täter Frauke 10 mal durch ein Treppenhaus, einen Hinterhof (was auch immer) zu seinem Auto schaffen müssen. In der Öffentlichkeit hätte der Täter Frauke auf dem Weg zum Auto nicht knebeln können; vor 22 h sind die Straßen nicht menschenleer.
Im Treppenhaus hätte Frauke scheinbar stolpern, sich auf den Bodenwerfen und unter Vortäuschung von Schmerzen nicht mehr aufstehen können etc.
In der Wohnung hätte sie Gegenstände umstoßen, gegen die Wände treten können etc. Auch wenn die Nachbarn nicht sofort reagiert hätten - im Nachhinein hätte sich keiner daran erinnern sollen?
Das gleiche Problem hätte der Täter bei einem Keller gehabt.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von Hamburger » Freitag, 05. September 2025, 02:51:00

@ beyourselftonite

Du hast natürlich recht, dass auch ein dummer Täter durch Glück der Polizei entgehen kann. (Übrigens glaube ich, dass auch ein nicht dummer Täter, der die Tat geplant hatte, Glück gehabt haben müsste. Die Alternative zu einem Dummkopf ist kein „mastermind“, dessen Erfolg sich seiner genialen Planung verdankt.)

Wenn Frauke nach dem Pubbesuch verschwunden wäre und es keine SMS‘ und keine Anrufe gegeben hätte, würde ich auch einen dummen, ungeplant handelnden Täter für möglich halten. Aber angesichts des Ablaufs dieses Verbrechens erscheint mir ein Täter, der durch Dummheit und den Mangel jeglicher Planung doppelt überfordert gewesen wäre, sehr unwahrscheinlich.

Nur ein paar Einwände:

1.
Frauke war nicht dumm, und sie war fähig, auch in geschwächtem Zustand sehr überlegt zu handeln, wie der 1. Anruf zeigt, in dem sie Chris mit „Christos“ ansprach. Einem dummen Täter wäre sie intellektuell deutlich überlegen gewesen, und ich zweifle nicht, dass sie auch entschlossen gewesen wäre, das zu ihren Gunsten zu nutzen. Bei einem dummen Täter, der ihr in seiner Unbeherrschtheit „nur“ eine brutale Ohrfeige gegeben hätte und aus dieser Sache so gut wie möglich wieder herauskommen wollte, hätte Frauke großen Spielraum gehabt.

2.
Zwischen dem Verlassen des Pubs und dem Versand der 1. SMS lagen etwa 2 Stunden.
Nach dem Szenario von @HP1 müsste sich, wenn ich ihn richtig verstanden habe, in diesen 2 Stunden folgendes abgespielt haben: Der Täter müsste mit Frauke irgendwo hingefahren sein, wo er sie belästigen und schlagen konnte, ohne dass es Frauke möglich gewesen wäre, zu fliehen oder andere zu Hilfe zu rufen.
Danach wäre er erstmal hilflos mit Frauke durch die Gegend gefahren – aber innerhalb kürzester Zeit sollte er trotz seiner Dummheit und Aufregung auf die Idee gekommen sein, Frauke ihrem Mitbewohner eine SMS schicken zu lassen. Das erscheint mir als reichlich unwahrscheinlich.

3.
Es wäre dem Täter also so kurz nach seinem Übergriff auf Frauke wichtig gewesen, zu suggerieren, dass Frauke freiwillig mit ihm unterwegs war – aber am nächsten Tag wäre ihm das auf einmal völlig gleichgültig gewesen? Warum wurde nicht auch am nächsten Tag eine SMS versandt?

4.
Zu der SMS: Selbst wenn ein dummer Täter unwahrscheinlicherweise auf die Idee mit der SMS gekommen wäre, halte ich es für ausgeschlossen, dass Frauke in dieser Lage eine so harmlos und heiter klingende Formulierung wie „Das Spiel war lustig“ gewählt hätte.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von gastxyz..me » Freitag, 05. September 2025, 00:26:11

.. fortsetzung zu seinen möglichkeiten ..

dem täter war 100% klar, dass die polizei aktuell NICHT sucht.
bei dem groß angekündigten CALL CHRIS/KAREN (Nr. 7) steht er schon wieder im benhauser feld :roll:
.. sehr unwahrscheinlich dass FL im benhauser feld war, sein aufenthalt war maximal unauffällig, flexibel, abbrechbar ..

als der liebs-anwalt druck macht, eine vermisstenmeldung offiziell ist
liegt FL vermutlich kurz drauf am straßenrand

halt ausserhalb der stadt, das wars aber dann auch
sofort erkennbar mit ihrer vollen kleidung
dem täter war 100% klar, dass die polizei keine spuren findet.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von gastxyz..me » Freitag, 05. September 2025, 00:07:29

beyourselftonite hat geschrieben: Donnerstag, 04. September 2025, 23:46:08Für mich liegt die Stärke von HP1s Einwurf darin, den Blick auf die Möglichkeit der Improvisation zu lenken. Ein Täter muss nicht alles „durchdacht“ haben, um im Nachhinein wie ein Mastermind zu wirken.

ob improvisiert oder nicht, der agiert im rahmen seiner möglichkeiten.
absolut möglich, dass

im rahmen seiner möglichkeiten
- greift er FL ab, aufgelauert oder nicht; FL kann zufallsopfer gewesen sein
- hält sie gefangen - hat einen guten platz
- setzt sie unter drogen - kann das, hat was
- fährt gegenstrategien für eine polizeiliche suche - die anrufe
- entsorgt sie am straßenrand - null weitere vorkehrungen


anrufe, weil er
- es konnte ..ohne großes risiko
- es sein musste ..um vermisstenmeldung FL zu verhindern, der einzige grund..

der täter hat einen entscheidenden hinweis sich selbst geliefert:
WARUM SOLLTE FL NICHT VERMISST GEMELDET WERDEN, warum sollte polizei nicht offiziell suchen?
- weil er auf bewährung war?
- weil er bekannt war für frauenübergriffe, 1te adresse der polizei sozusagen?
- UND weil sie bei ihm zuhause war

:arrow: lokaler, polizeibekannter täter (frauenübergriffe), betäubungsmittel, top-technische skills

nieheim sms - voll beabsichtigt
- musste geschickt werden, weil FL die sache mit dem hausschlüssel/chris offenlegte
- ohne meldung wäre sie innerhalb von stunden "vermisst"; jedem klar, da stimmt was nicht.
- bewusst in nieheim abgesendet, war kein fehler

frauke physisch im gewerbegebiet
- schließe ich aus
- hab schon zuvor geschrieben: ich glaube, der fuhr mit dem FL-handy eine runde im gewerbegebiet
- also telekom-experte/hobbybastler, vielleicht mit gerät um die funkmasten mit reichweiten zu sehen
- mit spezialschaltung (konferenz oder ähnliches) vom kidnapping-gefängnis über das FL-handy
- wahnwitz, mit FL in der stadt rumzufahren. rein/raus, telefonieren lassen, knebeln, fesseln. risiko viel zu hoch, für den gewinn den ein normalo-täter damit macht.
- es war einfach für ihn, die anrufe zu steuern. richtig easy. ungefährlich. nebenbei gemacht, schaltung aus dem ärmel geschüttelt.



auffälligkeiten beim anruf des bruders? "Nr. 4"
schaubild von allesmist - danke
Dateianhänge
Screenshot 2025-09-01 204858.jpg
Screenshot 2025-09-01 204858.jpg (63.43 KiB) 117 mal betrachtet

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von beyourselftonite » Donnerstag, 04. September 2025, 23:46:08

Hamburger hat geschrieben: Donnerstag, 04. September 2025, 22:16:07 Dem stimme ich zu, aber das ist auch der Grund, weshalb ich einen dummen Täter, der "sich plötzlich ungewollt und ungeplant in einer Notlage wiederfindet", für äußerst unwahrscheinlich halte.
Wie sollte es einem solchen Täter gelungen sein, keine Spuren zu hinterlassen, die die Polizei leicht hätte entdecken können?

Wie sollte ein solcher Täter Frauke an einem Ort versteckt haben, an dem sie völlig unbemerkt blieb, und von dem er sie problemlos weg- und zurückbringen konnte?
Wie sollte es diesem Täter gelungen sein, sich in seiner Verwirrung und Panik nicht durch irgendwelche Auffälligkeiten zu verraten? Als die polizeilichen Ermittlungen nach dem Leichenfund begannen, wurden die Leute in der Paderborner Gegend öffentlich aufgerufen, sich an die Polizei zu wenden, wenn ihnen irgendetwas Merkwürdiges in der Nachbarschaft, im Bekanntenkreis etc. aufgefallen wäre. Der Fall hat großes Aufsehen erregt, und die WM-Spiele waren ein markantes Datum, an das sich viele erinnern konnten.
Ich würde den „Dulli“-Gedanken nicht gleich verwerfen. Spurenlosigkeit und Rationalität müssen nicht zwingend Hand in Hand gehen. Es gibt auch Szenarien, in denen ein unvorbereiteter Täter durch banales Glück, durch die Passivität des Opfers oder schlicht durch eine Verkettung von Umständen lange unauffällig bleibt. Wir unterschätzen oft, wie „robust“ Unauffälligkeit sein kann, gerade wenn Polizei und Öffentlichkeit nicht die entscheidenden Ansatzpunkte finden.

Auch das Verbergen an einem Ort muss nicht zwingend hochgradig raffiniert gewesen sein. Ein unscheinbarer Keller, eine geschlossene Tür, Nachbarn, die nicht hinhören – schon ist es möglich, eine Woche lang unbemerkt zu bleiben. Rückblickend erscheint uns das unplausibel, weil wir die Tragweite kennen. In der Situation selbst kann es für Außenstehende vollkommen unsichtbar bleiben.

Für mich liegt die Stärke von HP1s Einwurf darin, den Blick auf die Möglichkeit der Improvisation zu lenken. Ein Täter muss nicht alles „durchdacht“ haben, um im Nachhinein wie ein Mastermind zu wirken. Es reicht manchmal, dass er nicht den einen entscheidenden Fehler macht, der ihn verrät. Und das kann auch schlicht Zufall sein.

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

von Hamburger » Donnerstag, 04. September 2025, 22:16:07

HP1 hat geschrieben: Donnerstag, 04. September 2025, 13:41:19 ...


[...]



Und wenn man eine ungeplante Tat annimmt, einen zufälligen Dulli, der sich plötzlich ungewollt und ungeplant in einer Notlage wiederfindet, dann ist der doch in den wenigsten Fällen in der Lage, besonnen und überlegt zu handeln, cool zu bleiben. Klar gibts auch solche Typen, aber ich meine, viel wahrscheinlicher ist da doch das Auftreten von Überreaktionen oder gar Kurzschlussreaktionen, Bauchgefühl statt Verstand als handlungsbestimmende Grundlage.

[...}
Dem stimme ich zu, aber das ist auch der Grund, weshalb ich einen dummen Täter, der "sich plötzlich ungewollt und ungeplant in einer Notlage wiederfindet", für äußerst unwahrscheinlich halte.
Wie sollte es einem solchen Täter gelungen sein, keine Spuren zu hinterlassen, die die Polizei leicht hätte entdecken können?

Wie sollte ein solcher Täter Frauke an einem Ort versteckt haben, an dem sie völlig unbemerkt blieb, und von dem er sie problemlos weg- und zurückbringen konnte?
Wie sollte es diesem Täter gelungen sein, sich in seiner Verwirrung und Panik nicht durch irgendwelche Auffälligkeiten zu verraten? Als die polizeilichen Ermittlungen nach dem Leichenfund begannen, wurden die Leute in der Paderborner Gegend öffentlich aufgerufen, sich an die Polizei zu wenden, wenn ihnen irgendetwas Merkwürdiges in der Nachbarschaft, im Bekanntenkreis etc. aufgefallen wäre. Der Fall hat großes Aufsehen erregt, und die WM-Spiele waren ein markantes Datum, an das sich viele erinnern konnten.

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