MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

ÖFFENTLICHE DISKUSSION
Fälle: Anja Aichele, Ayleen Ambs, Vierfachmord von Annecy 2012, Bärbel B. (Bremerhaven) u. Ingrid R. (Bremen), Annika Brill, Tristan Brübach, Christoph Bulwin, Anne D. (Lorch), Suzanne Eaton, Michaela Eisch, Victor Elling, Sonja Engelbrecht, Trude Espas, Regina Fischer, Abby G. & Libby W. (USA-Indiana), Maren Graalfs, Mara-Sophie H. (Kirchdorf), Marion & Tim Hesse, Jutta Hoffmann, Peggy Knobloch, Cindy Koch, Martina Gabriele Lange, Lola (FR-Paris), Karl M. (Berlin), Khadidja M. (Ingolstadt), Stefan M. (Salzgitter), Jelena Marjanović, Margot Metzger, Karin N. (Borchen), Gabby Petito, Heike Rimbach, Elmar Rösch, Gustav Adolf Ruff, Carina S. (Iserlohn), Hannah S. (Hamm), Lena S. (Wunsiedel), Gabriele Schmidt, Mord in Sehnde-Höver, Yasmin Stieler, Simone Strobel, Elisabeth Theisen, Karsten & Sabine U. (Wennigsen), Nicky Verstappen, Hanna W. (Aschau)
AngRa
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von AngRa »

Es gibt so einige Ungereimtheiten. Wenn ich mir metallisches Quecksilber auf Abbildungen ansehe, dann bekomme ich auch Zweifel daran, ob es sich durch eine dünne Insulinspritze verabreichen lässt.

Methylquecksilber soll eine schwere wasserunlösliche Flüssigkeit sein.
Beschreibung: Dimethylquecksilber ist eine farblose, schwere, wasserunlösliche Flüssigkeit mit süßlichem Geruch. Die Verbindung ist unbegrenzt haltbar und lässt sich ohne Zersetzung destillieren. Der Siedepunkt wird mit 92 °C bei 740 Torr angegeben.
http://www.lambdasyn.org/synfiles/dimet ... silber.htm

Passt eine schwere Flüssigkeit durch eine feine Spritze?

--------------------------

Hier wird beispielsweise ein Laborunfall mit Methylquecksilber beschrieben.
Sie war erst 48, und sie hinterließ Ehemann und zwei Kinder. Karen E. Wetterhahn, Chemie-Professorin am Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, erlag am 8. Juni 1997 einer Quecksilber-Vergiftung. Die weltbekannte Spezialistin für die Giftwirkung von Schwermetallen fiel genau ihrem Forschungsthema zum Opfer.

Zehn Monate zuvor war ihr ein Mißgeschick unterlaufen. Karen Wetterhahn verschüttete einen oder allenfalls wenige Tropfen Dimethylquecksilber (H3C-Hg-CH3) – eine farblose, süßlich riechende Flüssigkeit – auf ihre Hand. Das mußte kein Grund zur Sorge sein, denn die erfahrene Chemikerin trug Gummihandschuhe.

Fünf Monate, nachdem – so die nachträgliche Rekonstruktion – die winzige Menge von 0,3 bis 1,6 Gramm Dimethylquecksilber auf ihre behandschuhte Hand getropft war, begannen Sprach- und Bewegungsstörungen, Hör- und Sehausfälle die Forscherin zu quälen. Die Schwermetall-Expertin ahnte: Schädigung des Zentralnervensystems durch Quecksilber. Ein Entgiftungsversuch kam zu spät. Karen Wetterhahn fiel ins Koma, aus dem sie der Tod erlöste.

https://www.wissenschaft.de/allgemein/t ... -im-labor/

Der Forscherin war die giftige Substanz nur auf die Gummihandschuhe getropft, die aber nicht genügend Schutz boten.

Es fragt sich, unter welchen Vorsichtsmaßnahmen der Täter mit der giftigen Substanz umgegangen sein muss, damit er sich nicht selbst vergiftet. Er konnte dem Opfer wohl nicht einfach Gift auf die Kleidung oder die Haut auftragen ohne sich selbst zu gefährden. Gummihandschuhe schützen offenbar nicht genug. Er muss sich sehr gut mit dem Gift ausgekannt haben.
Karla Raven
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von Karla Raven »

Gibt eine Quecksilberkontamation der Umwelt u.a. durch Kohleverbrennung und Gasbohren.

Der seit 2009 amtierende Vorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis, hat sich bis zur Energiewende immer wieder gegen den Kohleausstieg ausgesprochen. Ende 2010 gab es einen Beschluss, Kohle zunächst bis 2018 weiterzufördern, seinerseits starke Befürwortung der Entscheidung.
https://www.zeit.de/2010/47/Energie-Koh ... google.com (Bezahlschranke)

Kohlekraftwerke als wesentliche Verursacher von Quecksilberaustritten:
https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Dow ... nFile&v=30

Wie Methylquecksilber in der Umwelt durch Freisetzung aus Kohlekraftwerken entsteht:
Sobald das Quecksilber aus der Atmosphäre auf die Böden gelangt, entsteht durch die organische Verbindung Methylquecksilber. Das Gift wird in geringen Dosen durch die Nahrung aufgenommen, am stärksten kontaminiert ist Fisch, v.a. Thunfisch.
https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Dow ... nFile&v=30

In Verbindung mit Quecksilberaustritt durch Gasbohren gab es im Frühjahr 2011 in der Nähe von Hannover mehrere Kontaminationen der Umwelt:

Im Januar 2011 gelangte bei Reinigungsarbeiten auf dem Betriebsgelände von Hemsbünde Z1 (ca.100km von Hannover) Quecksilber in das Erdreich. Als erste Sanierungsmaßnahme wurde kontaminiertes Erdreich abgetragen.
http://frack-loses-gasbohren.de/stoerfaelle/

Ca. 90 km von Hannover lag zwischen Frühjahr 2011 bis Frühjahr 2012 auf dem Gelände der Versenkbohrung „Wittorf Z1 Quecksilber herum, was möglicherweise in Teilen schon verdampft war.
Quecksilberaustritt auf dem Gelände der Versenkbohrung „Wittorf Z1“
Am 20.04.2012 entdeckte ein Transportunternehmen bei Verladearbeiten auf dem Betriebsgelände 40 ml Quecksilber an gelagerten Rohren unter freiem Himmel. Die Rohre lagerten dort seit Frühjahr 2011.
Wieviel Quecksilber davon bereits verdampft war, ist unbekannt. Der Schadensbereich wurde saniert durch 10 Kubikmeter Bodenaushub. Die RWE Dea meldete den Störfall an das LBEG, der Grundeigentümer erfuhr es aus der Presse!
http://frack-loses-gasbohren.de/stoerfaelle/

Im Mai 2011 in Söhlingen (90km von Hannover) Grundwasserverunreinigung mit Quecksilber.
http://frack-loses-gasbohren.de/stoerfaelle/

Da Kohle- und Gasförderung vonseiten der IG BCE vorangetrieben wurden/werden, ist eine Verbindung zwischen dem Motiv des Täters und der Gewerkschaft bestimmt möglich.
Pootle
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von Pootle »

Ein schrecklicher und grausamer Fall, der sehr rätselhaft ist.

Ich erinnere mich an März 2011, als das Atomunglück in Fukushima geschah. Im Frühjahr 2011 hatte die Bundesregierung den Atomausstieg beschlossen. In der Nähe von Hannover gab es auch ein Atomkraftwerk in Grohnde, das 2021 geschlossen wurde. Auch die beiden Atommüllendlager Gorleben und Asse fallen mir ein. In Asse lagerten u.a. hunderttausende Fässer mit Arsen, Blei, Quecksilber und anderen hochgiftigen Stoffen sowie weiterer radioaktiver Müll. Asse ist einsturzgefährdet und deshalb sollte der Müll umgelagert werden. Vielleicht hatte der Täter einen Bezug zu dieser Branche.

Die IG BCE war natürlich auch gegen den Atomausstieg - hängen ja schließlich jede Menge Arbeitsplätze der Mitglieder dran.

In Frage käme auch eine Tätigkeit in einem Gefahrstofflager oder im Chemikalienhandel.

(Hat jetzt nichts mit dem Fall zu tun. Aber in den letzten Wochen habe ich mehrfach über das Thema "Needle Spiking" in den Medien gelesen und gehört. Es gab mehrere Spritzenattacken in Berliner Clubs auf Frauen, denen per Spritze Betäubungsmittel verabreicht wurden. )
AngRa
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von AngRa »

Die Polizei hat jedenfalls anfangs das ganze Ausmaß des Anschlags nicht erkannt, was nachvollziehbar ist, so lange das Opfer keine massiven Beschwerden hatte . Da waren unmittelbar nach der Tat Ermittlungen "nur" wegen gefährlicher Körperverletzung angezeigt und diese werden angesichts der Fülle schwererer anderer Straftaten mit denen sich die Ermittlungsbehörden herumschlagen müssen nicht höchste Priorität gehabt haben.

Als das Opfer dann aber gestorben ist und auch die Todesursache feststand, nämlich Vergiftung mit Methylquecksilber, da hätten die Ermittlungsbehörden den Schalter umlegen müssen, denn da ging es nicht mehr nur um eine Körperverletzung mit Todesfolge sondern um Mord. Meiner Meinung nach hat der Täter die Tat sorgfältig vorbereitet und geplant und er hat auch ganz gewiss dieses seltene Gift verwendet, um so etwas wie eine Botschaft zu senden. Den Tod des Opfers durch Vergiftung hätte er auch mit Gift herbeiführen können, an das man leichter gelangen kann und das in der Handhabung nicht so gefährlich ist, wenn er nur aus Spaß am Töten gehandelt hätte. . Ich meine, dass der Täter mit dem speziellen Gift eine bestimmte Botschaft senden wollte. Dabei könnten die von @Karla Raven genannten Unfälle mit Quecksilberaustritt sehr wohl eine Rolle gespielt haben. Es handelt sich hier jedenfalls um einen gezielten Anschlag . CB war kein Zufallsopfer, so wie die Polizei es anfangs angenommen hat, auch noch, als das Opfer verstorben ist. Auch die Angehörigen gingen wohl davon aus, dass CB ein Zufallsopfer war. Vielleicht wollten sie nicht öffentlich spekulieren und den ehemaligen Arbeitgeber des Verstorbenen damit in Bredouille bringen, denn ich gehe davon aus, dass der Täter eine Botschaft an den Arbeitgeber senden wollte.
Widasedumi
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von Widasedumi »

AngRa hat geschrieben: Montag, 29. August 2022, 05:21:55 Den Tod des Opfers durch Vergiftung hätte er auch mit Gift herbeiführen können, an das man leichter gelangen kann und das in der Handhabung nicht so gefährlich ist, wenn er nur aus Spaß am Töten gehandelt hätte. . Ich meine, dass der Täter mit dem speziellen Gift eine bestimmte Botschaft senden wollte. Dabei könnten die von @Karla Raven genannten Unfälle mit Quecksilberaustritt sehr wohl eine Rolle gespielt haben. Es handelt sich hier jedenfalls um einen gezielten Anschlag . CB war kein Zufallsopfer, so wie die Polizei es anfangs angenommen hat, auch noch, als das Opfer verstorben ist. Auch die Angehörigen gingen wohl davon aus, dass CB ein Zufallsopfer war. Vielleicht wollten sie nicht öffentlich spekulieren und den ehemaligen Arbeitgeber des Verstorbenen damit in Bredouille bringen, denn ich gehe davon aus, dass der Täter eine Botschaft an den Arbeitgeber senden wollte.
Vielen Dank @AngRa und @Karla Raven
Genau eurer Meinung bin ich auch. Gezielter Anschlag. Es war eine Botschaft. Die Unfälle, die @Karla Raven aufgelistet hat, sind m.E. in irgend einer Weise relevant. Danke auch für die vielen Berichte, die ihr auftreiben konntet!
Irrtumsvorbehalt
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von AngRa »

Ich bin immer davon ausgegangen, dass Vergiftungen mit Methylquecksilber sehr selten und ungewöhnlich sind und ein hohes Fachwissen des Täters voraussetzen. . Das ist aber offensichtlich nicht so, wie ein Urteil des Landgerichts Bielefeld aus dem Jahre 2019 eindrucksvoll belegt. Aufgrund von Internetrecherchen kann man das Gift offenbar im heimischen Kellerlabor gewinnen .

Im Jahre 2019 wurde ein Mann vom Landgericht Bielefeld u.a. wegen versuchten Mordes verurteilt, weil er versucht hatte einen Arbeitskollegen mit Methylquecksilber zu vergiften.

Die Urteilsbegründung dem Landgerichts Bielefeld vom 7.3.2019 ist online einsehbar.

Dort heißt es unter anderem:

Zunächst zum Ablauf der Giftherstellung durch den Angeklagten
Jedenfalls um das Jahr 2011 begann der Angeklagte sich immer intensiver mit der Herstellung immer giftigerer Chemikalien zu beschäftigen. Über das Internet bestellte er hierzu nach und nach die erforderliche Laborausrüstung.

Die Intensität der Internetrecherchen zu chemischen Sachverhalten nahm immer weiter zu. So suchte er etwa am 28.02.2016: "methylquecksilber symptome" und "methylquecksilberiodid". Am 29.07.2017 und 30.07.2017 suchte er unter anderem: "dimethylquecksilber methylquecksilberiodid"

Zum Tatgeschehen, der Verabreichung von Methylquecksilber:
Im Sommer 2016 verabreichte der Angeklagte seinem Arbeitskollegen F. in mindestens einem Fall methyliertes Quecksilber.

Weder der konkrete Verabreichungszeitpunkt noch die genaue Verabreichungsform konnten aufgeklärt werden. Die Kammer hält es für wahrscheinlich, dass der Angeklagte die zur Arbeit mitgebrachten Lebensmittel des F. während der Arbeitszeit mit Methylquecksilberiodid versetzte, denn auch F. verbrachte seine Pausen im Bereich des Werkzeugbaus und lagerte dort seine mitgebrachten Lebensmittel (zumeist Müsli und laktosefreie Milch). Weiter hält es die Kammer für wahrscheinlich, dass die Vergiftung von F. am 29.07.2016 erfolgte. Hierbei handelte es sich um den letzten gemeinsamen Arbeitstag von ihm und dem Angeklagten. Einen Tag später ging der Angeklagte in den Sommerurlaub, aus dem er erst am 22.08.2016 zurückkehrte. F. hatte seinen letzten Arbeitstag bei der Firma B. am 20.08.2016 in der Zeit von 05.58 Uhr bis 11.18 Uhr. Hiernach war er krankgeschrieben. Wegen der immer schlimmer werdenden Vergiftungsfolgen konnte er nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehren.
Auch in diesem Fall war die Vergiftung mit Quecksilber schwer zu diagnostizieren. In Deutschland scheinen solche Vergiftungen sehr selten zu sein. Es gibt offensichtlich keine Gegenmittel, denn ein entsprechendes medikament wurde aus Polen eingeflogen. Dann scheint es in Polen evtl. häufiger derartige Vergiftungen zu geben.
Aufgrund der Symptomatik, die in der Literatur auch im Zusammenhang mit einer Dimethyl-Quecksilber-Vergiftung beschrieben wird, erfolgten Analysen auf Quecksilber und Methylquecksilber. Die Befunde bestätigten schließlich Ende September 2016 den Verdacht, dass die Symptome auf eine Methyl-Quecksilber-Vergiftung zurückzuführen sind. Es erfolgten Entgiftungstherapien mit Komplexbildner (DMPS - Dimercaptopropansulfonsäure) sowie mittels Erythrozyten-Apherese. Da solche Vergiftungen in Deutschland äußerst selten sind, musste das zur Behandlung erforderliche Medikament aus Polen eingeflogen werden. Allerdings konnte auch diese Behandlung F. nicht mehr helfen. Sein Gehirn war infolge der Quecksilberintoxikation mittlerweile irreparabel schwer geschädigt.
Hier noch die rechtliche Einordnung der Quecksilbervergiftung als versuchten Mord:
Der Angeklagte, der zuvor die Wirkweise der Quecksilberverbindungen ausgiebig recherchiert hatte, führte diesen Zustand von F. wissentlich herbei. Er wusste, dass auch die nur einmalige Verabreichung von Quecksilberverbindungen nicht nur zu (erheblichen) Gesundheitsschäden führen würde, sondern voraussichtlich auch tödlich wirken würde. Dabei war er sich bewusst, mit der Verabreichung des Giftes alles seinerseits für eine Tötung von F. Erforderliche getan zu haben, und nahm billigend in Kauf, dass dieser an dem methylierten Quecksilber sterben würde. Tatsächlich ist F. nur aufgrund der umfassenden medizinischen Versorgung überhaupt noch am Leben.Der Angeklagte wusste auch um die Latenzzeit von mindestens zwei bis drei Wochen. Er wusste dabei auch, dass F. mit einer Vergiftung durch den Angeklagten nicht rechnete. Diese Arg- und Wehrlosigkeit nutzte der Angeklagte zur Begehung der Tat aus.
Noch etwas zur Ermittlungshistorie, auch hier wurden die Ermittlungen zunächst eingestellt:
Nachdem in dem Uniklinikum I. festgestellt worden war, dass F. an einer Quecksilbervergiftung litt, erstatteten seine Eltern auf Anraten der behandelnden Ärzte am 30.09.2016 Strafanzeige bei der Kreispolizeibehörde E.. Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen wurde unter anderem der Arbeitsplatz von F. bei der Firma B. untersucht. Die Untersuchungen (einschließlich der Staubuntersuchungen an dessen Arbeitsplatz) verliefen ohne Nachweis einer Quecksilberbelastung. Die Überprüfung des persönlichen und familiären Umfeldes ergab keine Kontakte mit Quecksilber. Auch die Untersuchung seiner E-Zigarette und der dazu gehörenden Flavours verlief negativ. Das damalige Ermittlungsverfahren wurde schließlich im Juni 2017 eingestellt, weil die Ursache der Quecksilbervergiftung nicht gefunden werden konnte.
Nachdem sich im Zuge der weiteren Ermittlungen sowie Analysen am 06.06.2018 der Verdacht erhärtet hatte, dass sich insbesondere Dimethylquecksilber unter den gefundenen Substanzen befand, wurden die Analysen im Landeskriminalamt NRW angehalten und das gesamte Labor auch für das Reinigungspersonal über Wochen gesperrt. Auf die Mitteilung des Landeskriminalamtes NRW wurde am 07.06.2018 das Wohnhaus des Angeklagten geräumt und versiegelt. Am 09.06.2018 wurde durch die Spezialeinheiten eines ATF-Zuges (Analytische Task-Force) der Berufsfeuerwehr J. sowie der Feuerwehr C. das Wohnhaus betreten und auf Giftstoffe untersucht. Hierbei wurden Edukte aufgefunden, die für die Herstellung von Dimethylquecksilber verwendet werden

https://openjur.de/u/2202911.html

Im o.g. Fall wird das Motiv auch nicht ganz deutlich. Offenbar litt der Angeklagte unter psychischen Problemen, die seine Schuldfähigkeit offenbar aber nicht tangierten.

Hierzu heißt es:
) Schuldfähigkeit

Bei dem Angeklagten liegen, auch schon während des Tatzeitraums, leichte autistische Züge oder eine schizoide Persönlichkeitsakzentuierung vor. Die Schuldfähigkeit des Angeklagten war zur Tatzeit jedoch weder erheblich vermindert noch aufgehoben im Sinne der §§ 20, 21 StGB.
Wenn man sich das Urteil durchliest, könnte man fast meinen, dass der Täter eine ähnliche Persönlichkeitsstruktur hatte und vielleicht auch gegen das Opfer persönlich etwas hatte, vielleicht weil er seine Angehörigen oder sich vom Opfer ungerecht behandelt gefühlt hat.

Dazu passt aber nicht, dass das Opfer den Täter offenbar nicht kannte. Er ist ihm direkt begegnet und hätte ihn von daher erkennen müssen.
Karla Raven
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von Karla Raven »

Mein Eindruck direkt nach dem Aktenzeichenbeitrag war auch, dass sich das Motiv nicht so ohne weiteres rational herleiten lässt, da der Täter Bulwin (laut dessen Behauptung) nicht persönlich kannte, also wozu jemandem einen grausamen und langwierigen Tod bescheren, der einem persönlich nichts getan hatte?

Was den irrationalen Eindruck ein wenig relativierte, war die Anwendung des Gifts als Tatwaffe in Verbindung mit einem Opfer, das für eine Gewerkschaft tätig war, die Chemie im Namen führt und einige indirekte Bezüge zu Methylquecksilber durch das Mittragen energiepolitischer Entscheidungen hat.

Zu personenunspezifischem Vergeltungswillen im Blick auf die Gewerkschaft könnte man auch mutmaßen, dass er sich schon Wochen vor der Tat auf dem Gelände beobachtend aufhielt, um die Mitarbeiter zu sondieren und sich einen davon für seinen Plan auszusuchen.

Kann aber genauso gut sein, dass er von Beginn an nur Bulwin ausspähte, weil er ihm was vorzuwerfen hatte, außerdem war sein Motiv ja im Leiden eines Einzelnen bereits erschöpft. Das einer-steht-für-das-Ganze-Prinzip find ich als Erklärung nach wie vor nicht so überzeugend.
Doktor B

Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von Doktor B »

Es wurde allerdings keine Möglichkeit genannt, daß das Gift auch anderweitig beschafft werden kann.
Vor einigen Jahren hat ein Neurologe Dimethyl-Quecksilber "legal" in Deutschland bestellt, an seinem Arbeitsplatz. Er hat es illegal nach Rumänien gebracht, um dort mindestens 2 Leute zu vergiften. Sein Vorhaben ist gescheitert und er wurde festgenommen.
Das Bild stammt von der rumänischen Polizei. Ein solcher Spezialbehälter wurde bei der Freundin des Arztes in einer Bukarester Wohnung beschlagnahmt.




Bei dem nachgewiesenen Stoff handelte es sich um Dimethylquecksilber - einer sehr speziellen und hochtoxischen Form. "Das ist eine organische Quecksilber-Verbindung, die man nicht einfach so herstellen kann. Dazu braucht man relativ großes Maß an Know-how. Der Täter muss sich mit der Herstellung von chemischen Stoffen auskennen", sagte Romey Leinhardt in der ZDF-Sendung.
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AngRa
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von AngRa »

@Doktor B

Vielen Dank für den Hinweis!

Zu welchem Zweck hat ein Neurologe ein solches Gift "legal" bestellen können? Es scheint nach den letzten Informationen so zu sein, dass dieses Gift gar nicht mal so selten für Anschläge verwendet wird bzw. werden soll.
AngRa
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von AngRa »

Hier ist noch ein Video zum Pausenbrotmörder, der einige Kollegen in der Firma in Schloss Holte-Stukenbrock vergiftet hat. .

https://www.youtube.com/watch?v=CZzkh4GmD0E

Zunächst kommt der Toxikologe Daldrup zu Wort, der auch der toxikologische Sachverständige im Prozess war. Soweit ich es verstanden habe, hat der Täter Quecksilber aus alten Thermometern verwendet.

Es war die Rede davon , dass der Bielefelder Täter Klaus O. ein unentdeckter Serientäter war. Beim Prozess 2019 war er 57 Jahre alt. 2011 hat er mit der Herstellung der Gifte in seinem Keller begonnen. Vielleicht der Mord in Hannover die erste Tat des mutmaßlichen Serientäters? Hatte er einen Bezug nach Hannover?

Hier noch ein Video zum Fall. Zu Wort kommt Lydia Bennecke.

https://www.ardmediathek.de/video/der-f ... zE3OTE5Nzc

Hier ist noch ein Video zum psychiatrischen Gutachten von Klaus O.

https://www1.wdr.de/fernsehen/lokalzeit ... n-100.html
Doktor B

Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von Doktor B »

AngRa hat geschrieben: Dienstag, 30. August 2022, 10:29:18 @Doktor B

Vielen Dank für den Hinweis!

Zu welchem Zweck hat ein Neurologe ein solches Gift "legal" bestellen können? Es scheint nach den letzten Informationen so zu sein, dass dieses Gift gar nicht mal so selten für Anschläge verwendet wird bzw. werden soll.
er hat angeblich behauptet, es für einem MRT Gerät für die Kalibrierung zu gebrauchen. Er hat mehrere Bestellungen getätigt, und es fiel erst in der Buchhaltung (!) auf, daß diese Chemikalie in der Neurologie nichts zu suchen hat. Ich habe keine Ahnung, ob er von der deutschen Polizei dazu befragt wurde. Die Polizei sollte solche Fälle restlos aufklären. 0,1 Gramm sind für einem Menschen tödlich. Der Neurologe hat lt. Zeitungsartikel mindestens 30 Gramm bestellt und auch erhalten.
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von AngRa »

@Doktor B

Ja, das sehe ich auch so, dass die Polizei solche Fälle mit Quecksilber-Vergiftung restlos aufklären sollte, denn die Verwendung dieses hoch toxischen Stoffes ist gemeingefährlich. Mich wundert es ohnehin, dass es doch einige Vergiftungsfälle mit Quecksilber gibt. Die Verwendung dieses Giftes ist nicht so einzigartig, wie gelegentlich beschrieben. Da es schwer bzw. erst sehr spät nachweisbar ist, könnte es einen Täter dazu inspirieren es immer wieder zu verwenden.
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von AngRa »

Die Polizei Hannover hat gut daran getan den Fall nochmals aus dem Archiv zu holen und ihn in der Aktenzeichen xy Sendung vorzustellen. 2012 hat sich alles erst nach und nach entwickelt, der Anschlag, dann die monatelange Krankheit und schließlich der Tod. Es geht wohl in erster Linie darum, dass sich Zuschauer melden, die jemanden kennen auf den die Täterbeschreibung passt, der zum fraglichen Zeitpunkt in Hannover war und der vor allem über chemische Kenntnisse verfügt, denn die sind Voraussetzung für den Umgang mit dem Gift, auch schon aus Gründen des Eigenschutzes.

Vom Motiv her ist vieles möglich. Es kommt letzten Endes auch eine Verwechslung in Betracht. In der HAZ vom 26.8.2022 gab es einen Bericht "Neue Hinweise im Quecksilber-Mord". Leider ist der Bericht nicht frei zugänglich. Hat ihn vielleicht jemand gelesen, der darüber berichten könnte?
AngRa
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von AngRa »

Die Polizei hält es für möglich, dass CB das Opfer einer Verwechslung geworden ist oder dass er mit dem Handeln der Gewerkschaft nicht einverstanden gewesen sei.
Vielleicht sei Bulwin das Opfer einer Verwechselung geworden oder der Täter sei mit irgendwelchen Taten der Gewerkschaft „nicht einverstanden“ gewesen.
https://www.focus.de/kultur/kino_tv/tv- ... 19702.html

Wenn man diese beiden möglichen Motive zusammenzieht, könnte es sein, dass das Opfer mit dem Repräsentanten der Gewerkschaft, das wäre der Vorsitzende der Gewerkschaft verwechselt worden ist, den man für ein Handeln der Gewerkschaft zur Rechenschaft ziehen wollte.

Im Jahr 2011 war Michael V. seit zwei Jahren Vorsitzender der Gewerkschaft.

Ich sehe eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihm und dem Opfer. Im Jahre 2011 war MV 47 Jahre alt, das Opfer war damals 7 Jahre jünger, trotzdem könnte es vom Alter her noch passen.

https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/ ... 41886.html

https://www.focus.de/kultur/kino_tv/tv- ... 19702.html

Das Opfer blieb nach der Tat bis zur Aktenzeichen xy Sendung im August diesen Jahres anonym. Es wurde weder der Name genannt, noch erschienen Bilder vom Opfer in den Medien. Vielleicht wollte man den Täter nicht gleich mit der Nase darauf stoßen, dass er den Falschen mit dem Spritzenattentat getötet hat? Ist natürlich nur Spekulation.
Widasedumi
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von Widasedumi »

Mir leuchtet diese Verwechslungsthese durchaus ein. Herr Bulwin tut mir heute noch leid. Wie sinnlos wurde sein Leben und das seiner Familie zerstört!
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Karla Raven
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von Karla Raven »

Wenn man den Suchradius für den Täter-Typen um wenigstens eine Dimension erweitern könnte, also über sein potentielles Chemiekenner-Dasein hinaus, würde ihn das auch anderen Zielgruppen in die Reichweite bringen, und eventuell zufällige Zeugen seines Daseins zutage fördern.

Konkret: Unter der Voraussetzung, dass er nicht Umweltfreundlichem/ Chemisch-toxischem gegenüber ablehnend eingestellt war, wie hätten sich seine Lebensumstände / gewähltes Umfeld / allgemeine Lebensweise gestalten können.
Ist wieder viel Mutmaßung bei, aber bestimmt legitim, denn wie es Zufälle gibt, so auch einseitig ausgerichtete Lebensformen.

Verorte ihn beruflich eher im biochemischen od umwelttechnischen Bereich, statt beim Forschen für Unternehmen, und auch eher nicht in der Toxikologie oder Pharmazie.

kurzgefasst:
Optik: Bräune im Gesicht: hat sich oft genug im Freien aufgehalten, um im Sommer als sonnengebräunt beschrieben zu werden. Evtl. mit eigenem Garten
Ernährung: eingeschränkt, vermeidet industriell Erzeugtes, soweit möglich im Garten selbst angebaut, evtl. chronische Hautprobleme, hat seiner Auffassung nach Allergien gegen Chemie in Lebensmitteln
Einkaufsgewohnheiten: Biomarkt, Biozeug im Supermarkt
Pflaster im Gesicht: körperliche Labilität, Sorge vor Verschmutzung
Mobilität: fährt mit Fahrrad / Zug statt Auto
Gesinnung: umweltpolitische Anliegen, wünscht sauberen Lebensraum
soziales Verhalten: fühlt sich schnell gestört, Einsiedler
psychologische Auffälligkeiten: irrationale Ängste, stark erregbar, hochsensibel, empathielos(?),
Kommunikationsverhalten: Rechthaberei, Ausrichtung: selbsterhaltend
IQ: überdurchschnittlich
Persönlichkeit: schizoid / schizotypisch
Wohnort: Stadtrand mit Grün drumrum, oder Kleingarten
Verhalten am Tatort Wochen vor der Tat: Mangel an Selbstbeherrschung wenns drauf ankommt
(Mord an evtl. verwechseltem Opfer: Disposition zu Fehlbewertungen und Schnellschüssen)
Interessen: alternativer Lebensstil, Natur
Einstellung zu Hunden: Ablehnung

zusammenfassend:
der oben skizzierte Typ hat sicher Nachbarn, über deren dreckige Köter er sich aufregen dürfte, er reagiert harsch bei fabrizierten Umweltschädigungen, kommentiert Raucher negativ, schimpft über Rauchwolken, macht einiges Aufhebens um seine Ernährung, weil alles verseucht ist, lebt zurückgezogen, hat nur wenige Bekannte, die er regelmäßig vor den Kopf stößt, ist schnell gewillt zu bestrafen, falls ihm jemand auch ausversehen Unrecht tut. Letztlich ergibt das einen sozial verhaltensauffälligen Typen mit krankhafter Eigenbezüglichkeit, was jedoch, da fiktiv, nicht jeden dünnen Chemiker (50-60jährig), der Hunde hasst unter Generalverdacht stellt.
Widasedumi
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von Widasedumi »

@Karla Raven

Die größte Beleidigung für diesen Gesundheitssklaven ist die Endlichkeit des Menschen. Ihr kann er nicht entrinnen, muss das aber verdrängen. Aber ohne sich ihr zu stellen, bleibt er ein Narr. Stattdessen sticht er anderen Menschen Gift in den Po. Überzwercher gehts ja wohl nicht mehr.
Irrtumsvorbehalt
AngRa
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von AngRa »

@Karla Raven

Ich möchte Deine Zusammenstellung zur Persönlichkeit des Täters noch etwas ergänzen.

Ihn muss die Welt der Geheimdienste fasziniert haben, denn bei der Tatausführung hat er sich vom Regenschirmattentat von 1978 inspirieren lassen, hinter dem der sowjetische Geheimdienst steckte.. Zu dem Fall gibt es sehr viele Veröffentlichungen. Regenschirme wurden von Geheimdiensten aber nicht nur in diesem Fall als Waffe eingesetzt.

Das Regenschirmattentat wird vom Deutschen Spionage-Museum in Berlin ganz gut aufgearbeitet. ( Das Museum gibt es aber erst seit 2015) Es heißt dort :
Doch abseits der üblichen Nutzung wurden Regenschirme in vielfältiger Weise von Geheimdiensten für diverse Zwecke umgebaut und eingesetzt.

Nur wenige Alltagsgegenstände haben die Geschichte des Kalten Krieges so geprägt wie der „Bulgarische Regenschirm“. Auf einmal wurde der Welt schlagartig gewahr, welch tödliche Wirkung listige Ingenieure nahezu jedem Objekt verleihen können.
https://www.deutsches-spionagemuseum.de ... -39-jahren

Der Täter muss auch ein Tüftler gewesen sein, denn anders hätte er die Tatwaffe nicht konstruieren können.

Er muss sich selbst und seine Fähigkeiten überschätzt haben, denn ansonsten hätte er das Opfer nicht auf offener Straße angegriffen ohne zu bedenken, dass das Opfer den Anschlag sofort bemerken könnte und ihn den Angreifer zur Rede stellt, wie es auch gekommen ist. Einen solchen Verlauf hat der Täter sehr wahrscheinlich gar nicht einkalkuliert, denn er hat sich wohl darauf verlassen, dass der Anschlag so ausgeht, wie das Regenschirmattentat von 1978, wo das Opfer sich erst Stunden nach der Tat an die Rempelei erinnerte, als schon die ersten Beschwerden auftraten. Für gute Fluchtmöglichkeiten hat der Täter jedenfalls nicht gesorgt.

Er dürfte stolz darauf gewesen sein, dass er in der Lage war ein Attentat zu verüben, das ansonsten vor allem ein Apparat, wie ein Geheimdienst, verüben konnte.
AngRa
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von AngRa »

Ich meine, dass dieser perfide Mord mit einem gemeingefährlichen Gift eine genaue Analyse der bekannten Fakten verdient, denn es gibt viele Ungereimtheiten, die man versuchen sollte in Einklang zu bringen. Ich hoffe auch sehr, dass die Ermittlungsbehörden sich nun bemühen den Fall restlos aufzuklären.

Ich vermute, dass die Polizei unmittelbar nach dem Spritzenattentat und auch später nach dem Tod des Opfers zwei Tathypothesen hatte, nämlich Selbstmord und Mord und sich nicht auf eine festlegen konnte.

Die Polizei hielt es anfangs wohl auch für möglich, dass das Opfer sich selbst vergiftet hat und einen Mord vortäuschen wollte. Für das spektakuläre Spritzenattentat am helllichten Tag in Hannover gab es keine Zeugen, der geschilderte Tathergang wirkte abenteuerlich, dann bestanden wohl Zweifel, ob die beschriebene Ausführung des Angriffs mittels Regenschirm technisch überhaupt möglich ist ( diese Zweifel bestehen übrigens beim legendären Spritzenattentat von 1978 seit langer Zeit auch) und das verwendete Mordgift war ungewöhnlich, das Opfer hätte aber durch ein Kältethermometer an seinem Arbeitsplatz Zugang zu dem Gift gehabt, so wohl die Auffassung der Polizei. Entsprechende andere Fälle mit dem Mordgift waren damals nicht bekannt.

Das Opfer könnte sich aufgrund von Depressionen entschlossen haben sein Leben zu beenden, gleichzeitig aber beabsichtigt haben die Familie durch eine abgeschlossene Lebensversicherung abzusichern, was nicht machbar gewesen wäre, wenn Selbstmord hätte nachgewiesen werden können, so eventuelle Überlegungen der Polizei zur Stützung der Selbstmordhypothese. .

In dem rechtsmedizinischen Bericht über den Fall wird noch 2020 erwähnt, dass die Polizei den Angaben des Opfers wohl keinen Glauben geschenkt hat. Auch wenn die Mediziner keine Einsicht in die Ermittlungsakten hatten, so kann man davon ausgehen, dass sie sich diese Vermutung der Polizei nicht aus den Fingern gesogen haben. Das kann man auch nicht einfach mit einem Missverständnis oder einem Übertragungsfehler erklären.

Also standen aus Sicht der Polizei anfangs wohl zwei Tathypothesen im Raum, Mord und Selbstmord, die sich aber damals beide nicht erhärten ließen.

So erkläre ich mir die halbherzigen Ermittlungen am Anfang, denn trotz genauer Täterbeschreibung wurde kein Phantombild des Täters erstellt mit dem nach ihm gefahndet gefahndet worden ist, es wurden auch die Ermittlungen recht schnell eingestellt, eine Sonderkommission zur Aufklärung des Falles wurde ebenfalls nicht gegründet. Name und Bild des Opfers wurden nicht veröffentlicht, so wie es bei Selbstmordverdacht gehandhabt wird. In den Zeitungen erschien zwar die Täterbeschreibung, aber ein Phantombild hätte mehr bewirken können. Dazu hat man sich aber wohl nicht entschließen können, weil man von Anfang an befürchtete, dass es den Täter vielleicht nicht gibt und trotzdem Unschuldige wegen Ähnlichkeiten verdächtigt werden könnten.

Im Laufe der Zeit änderte sich aber wohl die Einstellung der Polizei. Man kann nur darüber spekulieren, was diesen Sinneswandel ausgelöst haben könnte. Ziemlich sicher bin ich, dass inzwischen die anfangs zuständigen Ermittler nicht mehr zuständig waren und dass neue Ermittler eine andere Sicht auf den Fall entwickelt haben. Ich tippe darauf, dass die Ermittlungen in dem Bielefelder Pausenbrot-Mordfall und die Verurteilung des biederen Familienvaters im Jahr 2018 , der mit dem Mordgift im heimischen Kellerlabor herum gewerkelt hat, einiges zum Sinneswandel beigetragen haben. Das Mordgift ist aus den Sphären der Chemielabore in die häusliche Giftküche gerutscht. Vielleicht haben sich neue Ermittler auch mit der Persönlichkeit des Opfers intensiver auseinander gesetzt, haben Zeugen dazu vernommen, alte Berichte gelesen und sind so zu der Beurteilung gekommen, dass kein Selbstmord vorliegen kann.

Daher dann aufgrund der neuen Sichtweise die Präsentation des Falles in der Aktenzeichen xy Sendung.

Ich vermute, dass das Opfer durch Chemie umgekommen ist, weil sein Arbeitgeber ( Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie) schon dem Namen nach für Chemie steht. Der Bezug zur Chemie kann kein Zufall sein, auch eine Verwechslung halte ich für möglich.

Da der Fall so ungewöhnlich ist und über den Täter einiges bekannt ist, auch Prägnantes, beispielsweise das Pflaster im Gesicht) , halte ich es für möglich, dass der Täter doch noch überführt werden kann, vielleicht, weil sich jemand aus seinem Umfeld endlich dazu entschließt sein Wissen preis zugeben. Es müsste sich auch noch ein Motiv finden lassen, wenn man gezielt sucht.
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SaJa
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Re: MORDFALL CHRISTOPH BULWIN (40 †), HANNOVER, 2011

Ungelesener Beitrag von SaJa »

Man sollte den Bericht nicht außer acht lassen, denn geschrieben wurde er u.a. von 2 Ärzten die an der MHH in Hannover tätig sind und allem Anschein nach mit dem Fall betraut waren. Es handelt sich um Prof. Dr Michael Klintschar ( Rechtsmediziner ) und Dr.med. Hans-Juergen Raatschen (Radiologe). Ich gehe davon aus das in dem Bericht nichts erfunden wurde/falsch verstanden wurde, sondern das es diese Untersuchungen am / im Auto gab und das es auch die 2 Spritze gab.
Verhindere Verbrechen, damit Strafe nicht nötig ist. ~Konfuzius
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