SuperdadV8 hat geschrieben: ↑Montag, 27. November 2023, 15:45:35
Hier könnte man schon eine durchaus spannende, psychologische Komponente in die erfolgten Kontaktaufnahmen hinein interpretieren. Wie HP1 schon weiter oben in meinen Augen zutreffend schrieb. Das Gros der bspw. sexuell motivierten Tötungsdelikte, wobei sich hier sicher die Mordmerkmale Befriedigung des Geschlechtstriebs und Verdeckungsabsicht mglw. die Waage halten, haben eben genau diese Komponente der mehrfachen direkten Kontaktaufnahme zu nahestehenden Personen gerade nicht. Es ist, wie zutreffend von HP 1 formuliert, für das eigentliche Motiv der Tat einfach nicht erforderlich.
Und da sehe ich insbesondere den Unterschied zum vielzitierten Höxter-Paar. Die wollten nicht nur quälen, die wollten genauso die Kohle und hierfür war eben ab und an auch die Familie der Opfer vonnöten, nehme ich mal an. Ergo waren Kontaktaufnahmen teilweise unumgänglich. Im Fall Frauke gab es meines Wissens nach keinerlei Hinweise auf eine finanzielle Motivation.
Insofern ja, es ließe sich hier mglw. tatsächlich - sofern man das möchte - auch eine irgendwie geartete "Psychotat" herleiten. Nur dann bin ich für meine Wahrnehmung näher bei der Annahme, dass durch Fraukes Festhalten die nahestehende(n) kontaktierte(n) Person(en) zu einem Handeln, Dulden oder Unterlassen bewegt werden sollte(n) und Frauke eher das Werkzeug hierfür war. Aber wer weiß?!
Habe ich das so formuliert? Sicher, aber nicht in letzter Zeit, bzw. in meinem Beitrag von heute früh
Wenn man mal kategorisch davon ausgeht, dass es allein von der Motivation des Täters abhängt, ob die Anrufe stattfinden oder nicht, ob er sie stattfinden lässt oder nicht, dann würde ich grob drei Möglichkeiten unterscheiden:
- Die Anrufe sind Bestandteil des Tatziels. Der Täter lässt sie stattfinden, weil er es kann und daraus einen wie auch immer gearteten ideellen Gewinn (ähnlich Ritual, Symbol, Demonstration) zieht. Das geht dann natürlich klar in Richtung Inszenierung, gut möglich auch mit längerer gedanklicher Vorbereitung/Planung und sorgfältiger Auswahl des Opfers (oder aber, das Opfer selbst bzw. ihrer beider Kontakt hat den Täter erst inspiriert). Dr. Saimehs mögliches Täterprofil geht ja extrem in diese Richtung: Ein Täter der um des Überlegenheitsgefühls (Frauke oder der Außenwelt gegenüber?) willens die Anrufe stattfinden lässt um daraus eine Befriedigung zu ziehen (also Anrufe als Solche wesentlicher Teil des Tatziels/-motivs). Da bin ich ganz bei @HHmoin - auf mich wirkt das so, als hätte sie die zentrale Frage "
Warum fanden die Anrufe statt?" einfach damit zu beantworten versucht, mit ihren fachlichen Handwerksmitteln der Psychiatrie den passenden Täter zusammenzuschustern. Ich habe da Einwände, würde aber hier jetzt zu weit führen. Grundsätzlich ist es aber ein sinnvoller Gedanke, dass die Anruffahrten für den Täter gar nicht unbedingt ungewolltes Risiko und Aufwand darstellten, sondern für ihn auch oder stattdessen eine per se positive Bedeutung gehabt haben könnten.
- Die Anrufe sind aus Perspektive des Täters notwendig. Entweder alternativlos, oder aber besser als etwaig vorhandene Handlungsalternativen. Ich sehe da eher die situativ auftretende Notwendigkeit als die Anrufe als einen Bestandteil der Tatplanung. Einfach weil es ein völliger Scheißplan wäre, mit regelmäßigen Kontaktaufnahmen des Opfers. Das stösst dann erstmal klar in Richtung Entdeckungsangst (konkret oder allgemein), ob da nun die Polizei allgemein vom Ermitteln abgehalten werden sollte oder der "Fehler" der Lokalisation "Nieheim" durch eine Mehrzahl wechselnder Anruforte getilgt werden sollte. Andere tatsächliche oder empfundene Notwendigkeiten als Anlass sind natürlich auch denkbar, aber da müsste man recht konkret in entsprechende Szenarien hineinspekulieren. Das ufert nur aus...
- Die Anrufe sind aus Perspektive des Täters nicht notwendig, aber er verspricht sich einen Vorteil/Gewinn davon. Hier mag man z.B. in die Richtung denken, er könnte sich erhofft haben, Frauke würde gefügiger wenn er ihr die Anrufe zugesteht. Diese Richtung überzeugt mich nicht so. Wenn, dann würde ich hier einen Typen vor meinem geistigen Auge sehen, der ebenso entschluss- und tatkräftig wie auch wenig beeindruckt von etwaiger eigener Angst, Befürchtungen und inneren Hemmungen ist. Ein ängstlicher, zögerlicher Täter bräuchte hier einen als zwingend erlebten Grund für die Anruffahrten. Das aber nichts weiter als meine erste Phantasie dazu, da gäbe es noch jede Menge "aber" und "oder" zu bedenken.
So weit tendiere ich persönlich erstmal zu Variante 2, und da speziell zu dem ersten Anruf Donnerstag Abend als Reaktion auf die Veröffentlichung der Lokalisierung "Nieheim". Das passt einfach vom Timing perfekt, und auch der Ort des Donnerstag-Kontakts, im Umkreis von PB eigentlich maximal weit von Nieheim entfernt wirkt wie überreagiert, um Aufenthalts-/Bewegungsprofile zu verschleiern - und da ist natürlich insbesondere das veröffentlichte "Nieheim" einschlägig. Eine monoton tägliche Fortsetzung der Anrufe mag da einem Täter auch sinnvoll oder notwendig erschienen sein.
So mag man die Frage nach dem "Warum" der Anrufe vermutend beantworten können, aber ansonsten ist man genauso schlau oder dumm wie vorher, denn es bringt uns weder dem Täter noch dem Tatmotiv irgendwie näher. Die einzige Schlussfolgerung wäre, dass der Täter wohl nicht erwischt werden wollte, wenn er denn die Anrufe als Hinhalte- oder Verschleierungstaktik stattfinden ließ. Ziemlich dünnes Brot...
In deinem letzten Absatz sprichst du eine vierte Möglichkeit an, die wir ja in der Vergangenheit schon mal beleuchtet hatten.
Man stelle sich mal vor, es gäbe eine weitere Person, die kontaktiert wurde und die mit Fraukes Entführung unter Druck gesetzt werden sollte, die sich danach und bis heute nicht offenbart hat. Oder eine Person (muss nicht kontaktiert worden sein, kann "unwissend" bleiben), der mit Fraukes Entführung geschadet werden sollte. An der Stelle auf jeden Fall über den Tellerrand schauen und den Gedanken nicht gleich auf "Eltern/Lösegeld" oder "hasserfüllter Schüler der Mutter" reduzieren.
Natürlich ist das völlig spekulativ, es gibt keinerlei konkreten Anhaltspunkt für eine solche dritte Person als eigentliches Tatziel.
Warum mich dieser Gedanke trotzdem etwas umtreibt:
- Wie ich heute morgen beschrieben habe, würde ich eher von einer Lage Fraukes ausgehen, die sie selbst als "aussichtsreich" wahrnahm, bei der sie zumindest zunächst auf eine Freilassung hoffen konnte. An eine völlige Fremdsteuerung Fraukes durch den Täter "wie eine Handpuppe" bei den Anrufen glaube ich nicht, bei einem solchen Täter hätte z.B. das letzte Telefonat keinesfalls so stattgefunden. Entsprechend vermute ich hinter Fraukes Gefasstheit und "Funktionieren" bei den Anrufen einen Glauben bei ihr an die Sinnhaftigkeit ihrer wiederholten Äußerungen "ich komme nach Hause". Auch dass sie beim letzten Telefonat letzlich doch aufrecht erhält, nicht völlig emotional und unkontrolliert herauszuplatzen, spricht für mich für ein starkes Narrativ mit ihrer Freilassung als festem Bestandteil, das auch da seine Gültigkeit für Frauke noch nicht völlig verloren hatte. Ein einfaches "ich werde dich dann freilassen" vom Täter ohne weitere Anhaltspunkte reicht da nicht, nicht über den Zeitraum einer Woche. Stattdessen würde ich da ein Frauke bekanntes Tatmotiv annehmen, in dem ihre Freilassung als möglicher und vielleicht auch für alle Beteiligten letztlich wünschenswerter Ausgang enthalten wäre. Wie in dem Fall der Täter im Nachgang vor einer Anzeige Fraukes und Ermittlung/Identifizierung sicher sein könnte (wäre da wohl ein notwendiger Bestandteil), da müsste man dann ins Detail phantasieren, bleibt hier erstmal ein offener Punkt.
- Wenn Frauke nicht das eigentliche Tatziel, sondern nur Mittel zum Zweck war, dann ist gut denkbar, dass vergleichsweise gut mit ihr umgegangen wurde. Kein motivseitiger Anlass für sexuelle oder anderweitig körperliche Übergriffe, kein Anlass für Psychospielchen, demonstrierte Macht und sowas, kein Einschüchtern über das zur Kooperation Nötige hinaus. Das wären tatsächlich Rahmenbedingungen, die Fraukes Hoffen und Glauben an Freilassung eher unterfüttern würden. Das wären Rahmenbedingungen, in denen Frauke gut auch eine Woche lang mit Bereitschaft in der Lage war, die Anrufe so zu führen. Und es wäre ja in so einem Szenario naheliegend anzunehmen, dass der Täter hier selbst keinesfalls mit Fraukes Tod geplant, mit einem solchen Verlauf gerechnet hätte.
- Das Timing der Anrufe spricht, wie oben gesagt, in meinen Augen erstmal für eine Reaktion auf die Veröffentlichung "Nieheim", oder aber allgemeiner auf Hinhaltetaktik gegenüber der Polizei im Allgemeinen. Aber auch im Szenario einer solchen Entführung mit Frauke als Mittel zum Zweck, als Druck- oder Schadensmittel gegen einen Dritten, wäre das Timing interessant. Ich meine, sowas plant man als idealen Ablauf doch nicht mit einer Dauer von einer Woche (oder länger), sondern als möglichst kurze Aktion. Person entführt, erpresste Person fügt sich umgehend, Freilassung der Geisel, zack fertig. Also nur so als Schema. Wenn es nun nicht so läuft, das Druck Machen führt nicht zum Erfolg oder so, dann sitzt man mit der Geisel da und stellt nach zwei Tagen fest, dass sie polizeilich gesucht wird und man überlegt sich, was sie denn erzählen könnte, wenn sie nach mehreren Tagen (statt nach vielleicht geplanten ein bis maximal zwei Tagen) zurückkehrt. Da könnten die Anrufe auch beschlossen worden sein vorbereitend dafür, irgendeiner Klapperstorchgeschichte über ihr Wegbleiben etwas mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Also nur mal so ins Blaue gesponnen. Die mögliche Freilassung zieht sich weiter hin, was auch immer da nicht so läuft wie geplant, und man hält diese "gute Idee" mit den Anrufen halt erstmal täglich aufrecht.
- An der Stelle wäre auch Fraukes verlässliche Kooperation plausibel, eben wenn sie das Geschehen so weit nachvollziehen kann und darin die klare Perspektive auf eine tatsächliche Freilassung sehen kann.
- Bei einem Täter, der tatsächlich Fraukes Freilassung geplant hat und (zunächst) vielleicht gar nicht daran denkt sie zu töten, würde ich auch die Angst- und Hemmschwellen bezüglich der Anruffahrten (Risiko) deutlich geringer einschätzen.
So weit natürlich alles nur Ideen. Wie gesagt, es gibt keine Anhaltspunkte für so einen Dritten als eigentliches Tatziel, aber ebenso wenig gibt es belastbare Gründe dafür, warum es so jemand nicht gegeben haben soll.
Wie immer nur Möglichkeiten, kein Szenario das ich hier als "wahrscheinlich" verkaufen wollte
