Catch22 hat geschrieben: ↑Dienstag, 08. April 2025, 23:53:33
Auch von mir herzlichen Dank für Deine profunden Ausführungen!
Gerne. Ich versuche auch zumeist artig alles irgendwie mit Literatur zu belegen. Wenn was unverständlich ist, bitte nachfragen!
Catch22 hat geschrieben: ↑Dienstag, 08. April 2025, 23:53:33
Hanna sei alkoholgewöhnt gewesen, wurde gutachterlich festgestellt (da andernfalls bei einer BAK von 2,06 Promille weitaus erheblichere Ausfallerscheinungen sichtbar geworden wären). Lässt dies nicht den Schluss zu, dass Hannas noch junge, an Alkohol gewöhnte Leber den Blutalkohol überdurchschnittlich „routiniert“ und schnell abgebaut hatte? Daher vermute ich, dass Hanna durchaus mehr als 95 g reinen Alkohol konsumiert haben dürfte.
Sehen wir uns mal ein paar Fakten zum Alkohol an.
Eine einfache Formel, den Promillegehalt annähernd auszurechen ist:
Blutalkoholwert = Alkoholmenge in Gramm / (Körpergewicht in kg * Anteil Körperflüssigkeit)
Da Frauen einen niedrigeren Anteil Körperflüssigkeit besitzen (nämlich nur 60% im Gegensatz zu 70% bei Männern), ist deren Blutalkoholwert bei gleicher Alkoholmenge höher als bei Männern.
Der Abbau des Alkohols funktioniert bei beiden Geschlechtern gleich:
Der Alkohol wird durch das Enzym Alkoholdehydrogenase (ADH) zu dem für den Körper noch giftigerem Acetaldehyd umgewandelt. Acetaldehyd wird vom Enzym Aldehyddehydrogenase 2 (ALDH2) in Acetat (Essigsäure) umgewandelt, Acetat wird zu Acetyl-CoA umgewandelt, einem Substrat für den Citratzyklus, den Fettsäurezyklus und die Cholesterinsynthese.
Mehrere Isoformen der Alkoholdehydrogenase bestimmen die Geschwindigkeit des Ethanolabbaus. Dieses Enzym lässt sich aber nicht im klassischen Sinne trainieren.
Was durchaus trainiert werden kann, das ist der Umgang mit dem Rausch an sich. Manche fühlen sich nach durchzechter Nacht am nächsten Morgen, bei einem durchschnittlichen Abbau von 0,1 bis 0,2 Promille pro Stunde, mit einem satten Restalkohol von einem Promille bereits stocknüchtern, andere fühlen sich noch immer betrunken und bleiben einfach im Bett.
Dabei wird nicht bei einem der Alkohol schneller abgebaut als bei dem anderen. Der eine ist es nur gewöhnter mit einem Restalkoholrausch tapfer um 8 Uhr ins Office zu marschieren und ein anderer bleibt halt der Arbeit fern.
Catch22 hat geschrieben: ↑Dienstag, 08. April 2025, 23:53:33
Worin ich Dir beipflichte, sind die Zweifel, dass der bei der Obduktion vorgefundene Mageninhalt (110 ml) nicht alles gewesen sein kann. Damit sind bei Hannas Körpergewicht keine 2,06 Promille BAK zu erzielen, nicht einmal mit schottischem Single Malt in Fassstärke (70 Vol. %) auf ex.
Allerdings wissen wir auch nicht, ob sich Hanna vielleicht schon auf der Toilette des Eiskellers übergeben hatte, womöglich mehrfach oder kurz vor ihrem Aufbruch.
Für den Mageninhalt gibt es eigentlich genau zwei Möglichkeiten:
Entweder es war alles bereits im weiteren Verlauf des Dünndarms (dessen Inhalt wir nicht kennen) oder Hanna hat es sich nochmal durch den Kopf gehen lassen.
Catch22 hat geschrieben: ↑Dienstag, 08. April 2025, 23:53:33
Was mir zu denken gibt: RAin Rick rekurriert immer wieder auf ein (m. E. gleichermaßen wahrscheinliches) Urinieren Hannas am Bärbach. Vermutlich tut sie dies aufgrund der Einschätzung von Püschel (die wir leider noch nicht kennen). Verbirgt sich im Obduktionsgutachten der LMU ein Geheimnis, das nicht den Weg ins Urteil fand?
Wir kennen die acetylierte Glukose (eine Blasenentzündung war wahrscheinlich -> damit ist auch häufiges Wasserlassen verbunden), zudem wissen wir, dass Alkohol das Antidiuretische Hormon (ADH) hemmt. Wenn also das Hormon gehemmt ist, das salopp gesagt dafür zuständig ist, dass wir uns nicht "leerpinkeln", dann wird ein Austreten auf dem Heimweg wieder wahrscheinlicher. Zudem ist Alkohol ein Zellgift und der Körper bemüht sich mit allen Kräften, dieses Gift wieder loszuwerden. Das tut er eben auch durch vermehrtes Wasserlassen.
1 ml Restharn sprechen wirklich dafür, dass relativ unmittelbar kurz vor dem Tod noch aktiv Harn abgesetzt wurde.
Catch22 hat geschrieben: ↑Dienstag, 08. April 2025, 23:53:33
Selbstverständlich hätte RAin Rick einen Beweisantrag zur Sicherung und Auswertung von „Kotzspuren“ stellen können. Das Problem aber war: Nach mehr als einem Jahr dürfte von diesen Spuren in freier Natur nichts mehr vorhanden gewesen sein.
Wobei diese Spuren, wie auch möglicher Urin, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom Wasser des Bärbaches in die Prien getragen wurden.
Bntzrnm hat geschrieben: ↑Mittwoch, 09. April 2025, 13:26:51
@Fränkin
Während weiterer Auseinandersetzung mit dem Fall, lassen mich nun weitere Fragen nicht los und ich hoffe ich nerve nicht.
Mich bisher nicht.
Bntzrnm hat geschrieben: ↑Mittwoch, 09. April 2025, 13:26:51
Wenn ich der Beschreibung folge und annehme, der Täter sei dem Opfer auf die Schultern und den gesamten Rücken gesprungen oder intensiv gekniet um die Schulterdachbrüche und die intensive Unterblutung im Rückenbereich zu erklären, würden die beschriebenen Verletzung auf ein Opfer in Bauchlage deuten?
Wenn die Kammer sich das Szenario mit dem "von hinten mit den Knien auf die Schulterblätter springen" zu Ende vorgestellt hat, dann war Hanna zu diesem Zeitpunkt relativ sicher auf weichem Gras, einem Blätterhaufen oder Moos gelegen.
Denn dann führt die Gewalt, die auf den Rücken und die Schulterblätter einwirkte (wobei laut Kammer die Kraft ja von hinten oben nach vorne unten gekommen sein muss) zu keinen zusätzlichen Verletzungen an ihrer Körpervorderseite.
Handelt es sich aber bei den Hämatomen am Rücken um Treibverletzungen, so ist dadurch eigentlich logischer zu erklären, dass es eben keine Verletzungen an der Körpervorderseite von Hanna gibt, weil es eben die Gras-, Moos- oder Blätterunterlage so nicht in der Nähe des vermuteten Tatortes gab.
Bntzrnm hat geschrieben: ↑Mittwoch, 09. April 2025, 13:26:51
Aber bei einem Opfer in Bauchlage, hätten nicht die Rippen gebrochen sein müssen bei diesen intensiven Unterblutungen?
Wie gesagt - es kommt sicher darauf an, wie "weich" Hanna zum Zeitpunkt der Gewalteinwirkung auf ihren Bauch lag. Oder ob sie überhaupt lag. Möglicherweise schwamm sie auch gerade bewusstlos mit dem Gesicht nach oben den Bärbach hinab und der Rücken schrammte über diverse harte Elemente in einem hochwasserführenden Bach.
Dass die Hämatome im Stehen entstanden sein können, wäre auch denkbar, sofern Sebastian in Martial Arts geübt war.
Bntzrnm hat geschrieben: ↑Mittwoch, 09. April 2025, 13:26:51
Ich dachte an die Warnung, dass man bei der Herzdruckmassage vorsichtig sein muss um nicht die Rippen zu brechen.
Die Vorsicht bei der Herzdruckmassage bezieht sich aber bei einer normalen Drucktiefe von 5-6cm nicht auf die Kraft, mit der man den Brustkorb zusammendrückt, sondern auf den Druckpunkt. Und der sollte mittig auf der unteren Hälfte des Brustbeins und nicht links oder rechts daneben sein, weil dann nämlich die Rippen (eher) brechen können.
Bntzrnm hat geschrieben: ↑Mittwoch, 09. April 2025, 13:26:51
Wären die Unterblutungen auch bei einem knienden Opfer oder bei einem Opfer in Hocke möglich?
Ich sagte es bereits: In der Medizin ist Häufiges häufig und Seltenes selten.
Im Prinzip ist alles möglich. Hanna kann auch unter einer Schiffschaukel gelegen sein und die Schaukel hat sie am Rücken getroffen oder das Segel von einem Schiff hat sich gedreht und hat ihr über den Rücken geschrammt. Sie kann ausgerutscht und mit dem Rücken auf einen Baumstumpf gefallen sein, sie kann sich neben ein Auto auf dem Parkplatz gelegt haben, jemand hat die Türe aufgemacht und ihr so mit der Türe über den Rücken geschabt. Sie kann von einem Bruce-Lee-ähnlichen Springer in den Rücken im Stand getroffen worden sein, sie kann schon in der Disco an einer Tischkante heruntergerutscht sein, sie kann gekniet sein, sie kann gelegen sein - alles kann passiert sein.
Allerdings - und das sollte man an dieser seltsamen Aufzählung merken - sind verschiedene Szenarien eher wahrscheinlicher und andere eher unwahrscheinlicher.
Jedwede Verletzung Hannas außerhalb des Bärbaches hätte irgendwo Blutspuren hinterlassen. Blutspuren im Gras, an einem Busch, an Sebastian, an einem Stein, auf dem Asphalt.
Oder wenigstens eine Speichelspur, die man mit Sicherheit hinterlässt, wenn man von hinten angegriffen und zu Boden gerissen wird.
Aber kein Hund hat irgendwas gefunden. Damit waren es entweder geruchsblinde Hunde oder es gibt einfach keine Spur eines Kampfes außerhalb des Baches.
Und da möge nun jeder selber überlegen, wie hoch dann die Wahrscheinlichkeit für das "Anspring-Szenario" der Kammer ist.