MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

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Fälle: Anja Aichele, Ayleen Ambs, Vierfachmord von Annecy 2012, Bärbel B. (Bremerhaven) u. Ingrid R. (Bremen), Annika Brill, Tristan Brübach, Christoph Bulwin, Anne D. (Lorch), Suzanne Eaton, Michaela Eisch, Victor Elling, Sonja Engelbrecht, Trude Espas, Regina Fischer, Abby G. & Libby W. (USA-Indiana), Maren Graalfs, Valeriia Gudzenko, Mara-Sophie H. (Kirchdorf), Marion & Tim Hesse, Jutta Hoffmann, Bärbel K. (Lübeck), Peggy Knobloch, Cindy Koch, Martina Gabriele Lange, Lola (FR-Paris), Karl M. (Berlin), Khadidja M. (Ingolstadt), Stefan M. (Salzgitter), Jelena Marjanović, Margot Metzger, Karin N. (Borchen), N. N. (Lampertheim), Gabby Petito, Heike Rimbach, Elmar Rösch, Gustav Adolf Ruff, Carina S. (Iserlohn), Hannah S. (Hamm), Lena S. (Wunsiedel), Gabriele Schmidt, Mord in Sehnde-Höver, Yasmin Stieler, Simone Strobel, Elisabeth Theisen, Karsten & Sabine U. (Wennigsen), Nicky Verstappen, Hanna W. (Aschau)
Catch22
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Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

Ungelesener Beitrag von Catch22 »

Gast hat geschrieben: Montag, 28. Juli 2025, 01:11:53 Sollten die Kopfverletzungen durch die Schrauben sein, heisst das noch lange nicht das der Jogger deswegen unschuldig ist. …
Die gleichzeitige Betrachtung mehr als nur eines einzelnen Arguments kann zeitweilen recht anstrengend sein. ;-) Eine ganze Fülle stichhaltiger Argumente gegen eine Täterschaft Sebastians und für ein Unfallgeschehen bietet der jüngste Artikel der PNP (siehe hier mit vorgekauter Inhaltsangabe).

Gast hat geschrieben: Montag, 28. Juli 2025, 01:11:53 … Im neuen Spiel sind immer noch
Der Jogger
Ein Anderer
Ein Unfall …
► Wo ist auch nur ein einziges, unmittelbar tatbezogenes Indiz, das Sebastian mit der „Tat“ in Verbindung brächte?

► Wo gibt es Anhaltspunkte für einen alternativen Täter?

► Ein Unfallgeschehen muss von der Verteidigung nicht bewiesen werden.

Die StA rollt einen roten Teppich aus und spendiert Schweinsbraten in der Justizkantine für jeden, der einen dringenden Tatverdacht liefert, um einen Haftbefehl gegen jedweden Meuchelmörder im Fall Hanna zu erwirken.

Gast hat geschrieben: Montag, 28. Juli 2025, 01:11:53 … Gestern hatte die Prien … starkes Hochwasser … kann da mal einer den Bärbach filmen und die Strudel am Wehr vor den Schrauben
https://www.hnd.bayern.de/pegel/inn/asc ... =&days=365
Das wäre sicher interessant zu sehen, zumal der Hydrologe Schüttrumpf von der RWTH Aachen vermutlich ähnliches (real, im Labor nachgestellt oder computersimuliert) im Sitzungssaal präsentieren dürfte.
andi55
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Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

Ungelesener Beitrag von andi55 »

Stets wenn es um den Knastzeugen Adrian M. geht, kommen immer wieder seine wiederholten Lügen aus der Vergangenheit zur Sprache.
Wenn ich mich richtig erinnere , hat er bei seinen Taten nicht nur durch Lügen seine späteren Opfer geködert, sondern diese danach auch noch
mit den Bildern erpresst. Erinnere ich mich da überhaupt richtig ? Falls ja, ist er nicht nur ein notorischer Lügner, zudem auch noch ein Erpresser.
Und Herr Holderle spielt das herunter nach dem Motto "....wer einmal lügt...", als ob das ja alles nicht so tragisch wäre und Adrian M. ein absolut zuverlässiger Zeuge ist.
Catch22
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Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

Ungelesener Beitrag von Catch22 »

andi55 hat geschrieben: Montag, 28. Juli 2025, 14:45:59 … Wenn ich mich richtig erinnere , hat … [Adrian M.] … seine … Opfer … auch … mit den Bildern erpresst. Erinnere ich mich da … richtig ? …
Ja, das ist richtig.

andi55 hat geschrieben: Montag, 28. Juli 2025, 14:45:59 … Und Herr Holderle spielt das herunter …, als ob … Adrian M. ein absolut zuverlässiger Zeuge ist.
Für Holderle gilt alles, was einer Verurteilung dienen könnte, als heilig und alles Gegenteilige verteufelt er – ohne Rücksicht auf Logik, Recht und Verstand. Aller Vernunft zum Trotz will er deshalb den Goldjungen aus der JVA auf Händen in den Himmel tragen.

Erinnert sei an Holderles selbstgefällige Empörung, als „Die Zeit“ über ein stark alkoholisiertes Opfer, eine rutschende Hose, ein zeitweilen nacktes Gesäß und einen Stringtanga berichtete. In der öffentlichen Hauptverhandlung und im Urteil passten Holderle all diese Umstände prächtig in den Kram, weil damit das Konstrukt eines sexuellen Tatmotivs und das Narrativ eines „leicht beschwipsten“, hilflos ausgelieferten Opfers genährt werden konnte. Als „Die Zeit“ genau dieselben Umstände kritisch beleuchtete, zeigte sich Holderle zutiefst erschüttert. Verlogener geht's nicht mehr.

Quellen: Dossier der „Zeit“ vom 11.09.2024 siehe hier, Aktualisierung dazu hier und Holderles Retourkutsche im OVB vom 02.10.2024 hier.


Noch ein Mysterium:

Zu etwaigen Farbantragungen in den Kopfwunden sagte RAin Rick gegenüber der PNP (siehe hier), die Wunden seien bislang von der Rechtsmedizin der LMU nicht auf Farbpartikel untersucht worden. Dies verwundert sehr, wenn es im Urteil heißt, „als Tatwerkzeug denkbar und möglich sei etwa ein Stein oder ein kleiner Hammerkopf“ (Rdnr. 973). Ist nicht auch ein Hammerkopf oft lackiert und könnte Farbspuren in Wunden hinterlassen?

Weshalb wurde eine Untersuchung auf Farbpartikel nicht sofort im Rahmen der Obduktion von den verantwortlichen Rechtsmedizinern der Münchener LMU (Mützel, Adamec) bzw. von der StA als Herrin des Ermittlungsverfahrens angeordnet?

Frech unterschlägt Holderle, dass eine solche Untersuchung bislang noch gar nicht stattgefunden hatte, suhlt sich jedoch ungeniert in seiner Behauptung, in den Wunden sei „kein Nanogramm Farbe entdeckt“ worden (Focus-Interview vom 03.07.2025 siehe hier). Kein Wunder, wenn überhaupt noch nicht danach gesucht wurde!
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Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

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Gast hat geschrieben: Montag, 28. Juli 2025, 01:11:53 Sollten die Kopfverletzungen durch die Schrauben sein, heisst das noch lange nicht das der Jogger deswegen unschuldig ist.
Er könnte das Opfer durch einen andere Art und Weise angegriffen haben und einen Unfall beweisen die Schrauben auch nicht.
Im neuen Spiel sind immer noch
Der Jogger
Ein Anderer
Ein Unfall
Derartige Beiträge kann ich in diesem Fall überhaupt nicht nachvollziehen.

Insgesamt gibt es sowieso schon extrem wenige Indizien die überhaupt gegen den Jogger sprechen, für den theorisierten Tathergang gibt es keinen einzigen. Eher gibt es Indizien die gegen einen Beteiligung des Joggers sprechen.
Im Urteil wurde sich damit begnügt, dass man einen Unfall ausschloss und mittels der Extrarunde dem Jogger eine Anwesenheit am blitzsauberen Tatort ermöglichte. Unberücksichtigt ließ man ob es körperlich überhaupt möglich wäre, da half einem das allerwelts Pornomotiv drüber hinweg.

Jede Änderung der penibel konstruierten Theorie bewirkt einen Dominoeffekt, der anderen Indizien umwirft, deshalb hat die Entstehung der Kopfwunden meiner Meinung nach ein Beweiswert gegen die Theorie der StA.

Wenn die Kopfwunden nicht von einem Angriff stammen, lösen sich die meisten Indizien, die das Gericht zum Ausschluss eines Unfalls anführte, in Luft auf. So müsste H. während des Angriffes und als sie ins Wasser kam, bei Bewusstsein gewesen sein und es braucht eine neue Erklärung für den Lungenbefund, für die fehlenden Verletzungen an den Händen, ebenso für den einmaligen Schrei und die fehlende Bekleidung.
Wenn das Fehlen der Bekleidung nicht einem Täter zugeordnet werden kann, gibt es kein Indiz mehr für ein sexuelles Motiv.

Was würde dann deiner Meinung nach bleiben, ein Jogger der völlig grundlos eine Extrarunde läuft um einer jungen Frau auf die Schultern zu hüpfen und mittels Handballenschlag ins Wasser zu befördern. Oder denkst du etwa ein Handballenschlag, der eine Bewusstlosigkeit nach sich zieht, kann ohne Spuren gelingen? Dem ist nicht so.
Catch22
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Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

Ungelesener Beitrag von Catch22 »

„Die Zeit“: Geharnischte Abrechnung

Hart ins Gericht geht Sabine Rückert in der neuesten Ausgabe der „Zeit“ (Nr. 32/2025) mit der Vorsitzenden Aßbichler, deren weitläufiger Seilschaft, dem Nebenklagevertreter Holderle und ganz nebenbei auch mit StA und GBA.

► Aßbichlers Seilschaft torpedierte „Die Zeit“ mit angriffigen Leserbriefen, darunter am Verfahren beteiligter Ersatzschöffe

► Rotary-Club: Persil-Schein für Polizei, StA und LG durch Vorträge im Chiemgau von VorsRi'inLG und Rechtsmedizin-Chef

► Holderle: Lobpreisung von Aßbichlers Kammer, Hetze gegen Angeklagten, Strafanzeige gegen Verteidigerin

► StA und GBA: Tatversion „war zwar nicht zwingend, aber möglich; das genügt“ :lol:

► Aßbichlers unaufgeforderte Stellungnahme gegenüber BGH brachte Fass wohl zum Überlaufen

RFO-Interview mit Aßbichler: StA als „Lichtgestalt“

► JVA-Zeuge Adrian M.: will zuerst JVA-Bedienstetem von „Geständnis“ berichtet haben – der Beamte bestreitet dies, wurde aber vom LG nicht als Zeuge gehört

► Sebastian: beim Rausgehen, Joggen und Einkaufen von Mutter, Cousinen oder Tanten eskortiert zum Schutz vor Nachstellungen

► Fitnessuhr als Alibi für zukünftige Schadensereignisse (Standort, Vitalfunktionen)


Der Artikel der „Zeit“ in voller Länge:

https://archive.ph/20250730161647/https ... traunstein

Eine leicht gekürzte Fassung:

Spoiler – hier klicken!
„Eiskeller-Prozess“
Einer kehrt heim



Bild
… Sebastian … [T.] auf einer Parkbank. Geht er vor die Tür, ist seine Familie immer dabei. © Matthias Ziegler für ZEIT Verbrechen



Sebastian … [T.] war … wegen Mordes an … Hanna … [W.] verurteilt worden. Sie war … in einen reißenden Bach gefallen und … zwölf Kilometer entfernt tot aus dem Wasser gezogen worden. Das Gericht war davon überzeugt, dass sie vom … Angeklagten … überfallen, niedergeschlagen und in den Fluss geworfen worden sei. … Seit dem Urteil steht er … im Mittelpunkt eines heftigen Rechtsstreits, an dem die halbe Republik Anteil nimmt. Denn einen Beweis für die Schuld Sebastian … [T.s] am Tod der Studentin Hanna … [W.] gibt es nicht.

… [T.s] Passivität vermittelt den Eindruck, er sei es von jeher gewohnt, dass andere über ihn entscheiden. Diese fatalistische Lebenshaltung war dem Psychiater schon in der Hauptverhandlung in Traunstein aufgefallen. Seine … Verteidigerin Regina Rick ist davon überzeugt, dass die nach einem Discobesuch stark alkoholisierte Hanna … [W.] in jener Nacht durch einen Unfall ins Wasser stürzte und ertrank. Schon während des Prozesses war sie mit der Vorsitzenden … Aßbichler deshalb heftig aneinandergeraten. Nach der Verurteilung ihres Mandanten holte sich Regina Rick für die Revision beim Bundesgerichtshof Verstärkung aus dem Norden: Gemeinsam mit dem jungen Hamburger Rechtsanwalt Yves Georg griff sie das Urteil des Landgerichts Traunstein mit mehreren Rügen an.

Auch die ZEIT berichtete im September 2024 in einem Dossier mit dem Titel „Sie brauchten einen Mörder“ [siehe hier, Aktualisierung dazu hier] kritisch über den ungewöhnlichen Weg der Jugendkammer zu der Gewissheit, Hanna … [W.] sei das Opfer eines Mordes und Sebastian … [T.] ihr Mörder. Denn: Es gab kein Geständnis, kein nachvollziehbares Motiv, und Genspuren oder einen Tatort hatte man auch nicht gefunden.

Ihre fehlende Distanz wird der Vorsitzenden Richterin am Ende zum Problem

Umso aufschlussreicher ist die Leserpost nach Erscheinen des Artikels in der ZEIT. „Absolut einseitig“ fand eine Leserin den Text. Sie habe selbst miterlebt, mit „welcher Mühe und Aufwand“ die Staatsanwaltschaft und das Gericht „alles gegeben haben, um das Verbrechen aufzuklären“. Wer den Namen jener empörten Absenderin googelt, die nach eigenen Angaben „gute Beziehungen zu Aschau“ unterhält, stößt nicht etwa auf jemanden, der den intensiven Ermittlungsaufwand von Amts oder Berufs wegen „miterlebt“ haben kann. Ein Foto in einer Lokalzeitung zeigt sie zusammen mit der Vorsitzenden … Aßbichler, freundlich lächelnd bei einer gemeinsamen Ausstellung ihrer selbst gemalten Bilder. Auch Listen von gemeinsamen Golfturnieren im Internet legen nahe, dass „gute Beziehungen“ der aufgebrachten Leserbriefschreiberin vor allem zu dieser Vorsitzenden bestehen.

Zu Wort meldete sich auch der Präsident des Rotary-Clubs Chiemsee und forderte die Chefredaktion der ZEIT auf, den Fall … [T.] endlich von „dritter neutraler Seite aufarbeiten zu lassen“. Zur Aufarbeitung dieses Kriminalfalls seien in der Region „Vorträge durch eine Vorsitzende Richterin eines Landgerichts“ und „einen Direktor eines Instituts für Rechtsmedizin“ gehalten worden: „Alle bescheinigten den befassten Ermittlungsbehörden und dem Gericht eine äußerst akribische Vorgehensweise!“ Welche mit dem Verfahren vertraute Vorsitzende und welcher kundige Institutsdirektor das gewesen sein sollen, teilte der rotarische Freund ebenso wenig mit wie den Zeitpunkt der Vorträge.

Sogar ein an der Hauptverhandlung gegen Sebastian … [T.] als Ersatzschöffe beteiligter Briefeschreiber wies die Autorin des Dossiers zurecht und mahnte sie, sie möge künftig „seriös und ausgewogen“ berichten. Abgedruckt hat die ZEIT keinen dieser Briefe, die sich wie bestellt lesen. Die Stimmungsmache gegen den Angeklagten hatte schon zuvor begonnen. Der Nebenklägervertreter Walter Holderle … hatte außerhalb der Hauptverhandlung keine Gelegenheit ausgelassen, die Arbeit des Gerichts zu loben und den Verdacht gegen den Angeklagten zu schüren. … [T.s] Verteidigerin Regina Rick hatte er bei der Staatsanwaltschaft Traunstein angezeigt, unter anderem weil sie die tote Hanna betreffende rechtsmedizinische Unterlagen an einen emeritierten Professor des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf [Klaus Püschel] geschickt hatte. Rick wollte eine zweite Meinung zum Gutachten der Rechtsmedizin München einholen, was bei einer Mordanklage alles andere als ungewöhnlich ist.

Hatte das Schreiben der Vorsitzenden das Fass zum Überlaufen gebracht?

Anders als vom Gesetz vorgesehen trat auch Wolfgang Fiedler, Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, der die Ermittlungen gegen … [T.] geführt hatte, der Revision des Angeklagten mit vermeintlichen Argumenten entgegen, nach denen die Rügen seiner Ansicht nach erfolglos sein müssten. Der zur Prüfung der Erfolgsaussichten berufene Generalbundesanwalt hielt die Revision ebenfalls für unbegründet und beantragte, das Rechtsmittel – so wie 95 Prozent aller Revisionen von Angeklagten – als „offensichtlich unbegründet“ zu verwerfen. Denn: Das Urteil … sei rechtsfehlerfrei, und die Tatversion der Traunsteiner Richter „war zwar nicht zwingend, aber möglich; das genügt“.

Den für die Prüfung der Revision zuständigen 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs erreichte aber auch noch eine überraschende weitere Eingabe – die Stellungnahme der Vorsitzenden … Aßbichler. Dass Richter, deren Urteile mit der Revision angegriffen werden, sich beim Bundesgerichtshof mit eigenen Prognosen zu den Aussichten einer Revision äußern, sieht das Gesetz nicht vor. Hier aber kritisierte die Vorsitzende Richterin das Vorbringen der Verteidigung: Die von den Verteidigern erhobenen Verfahrensrügen seien „einseitig und lückenhaft“, und der zugrunde gelegte Sachverhalt sei „insgesamt unzutreffend wiedergegeben“.

Der besondere Zorn der Vorsitzenden galt jedoch der Behandlung ihrer eigenen Person: … [T.s] Verteidiger Yves Georg und Regina Rick hatten in der Revision beanstandet, dass sich die Vorsitzende Aßbichler mit dem Staatsanwalt Fiedler per E-Mail darüber abgesprochen habe, welches Mordmerkmal man einer Verurteilung zugrunde legen könnte – und das, ohne den Angeklagten und seine Verteidigung daran zu beteiligen oder auch nur darüber zu informieren. Regina Rick hatte die Vorsitzende in der Hauptverhandlung deshalb wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Ausgerechnet die Befangenheitsrüge überzeugte die Bundesrichter, weshalb es auf die anderen Beanstandungen gar nicht mehr ankam. Im April 2025 hob der Bundesgerichtshof das Urteil … auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts Traunstein zurück. Über die Vorsitzende Aßbichler heißt es im einstimmig gefassten Aufhebungsbeschluss, deren „unaufgefordert abgegebene Stellungnahme“ habe die Bedenken gegen das Traunsteiner Mordurteil noch zusätzlich „vertieft“, lasse sie doch „ebenfalls ein Fehlen der gebotenen richterlichen Distanz“ erkennen. Hatte das Schreiben der Vorsitzenden das Fass zum Überlaufen gebracht?



Im Internet kann man sich ein Video aus dem Jahr 2022 ansehen, in dem Jacqueline Aßbichler eine junge Reporterin des bayerischen Regionalsenders rfo durch ihren Traunsteiner Sitzungssaal führt und ihr die verschiedenen Rollen der Prozessbeteiligten auseinandersetzt. Sie wirkt umgänglich und freundlich, wie sie da erklärt, dass der Platz des Staatsanwalts traditionell vor dem Fenster sei, weil er dann im Gegenlicht als „Lichtgestalt“ erscheine.

Und sie erzählt, dass sie über keines ihrer Urteile jemals später ins Zweifeln geraten sei. Nur bei einem: Da habe sie aus Mangel an Beweisen jemanden laufen lassen müssen, von dem „wir gewusst“ haben, dass er es war.

Die Traunsteiner Kammer unter dem Vorsitz von … Aßbichler hatte sich bei ihrem Schuldspruch … vor allem auf einen psychisch schwer gestörten Gefängnisinsassen namens Adrian … [M.] gestützt, der behauptet hatte, … [T.] habe ihm in der gemeinsamen U-Haft den Mord … gestanden. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hatte die Kammer damals darauf verzichtet, die Angaben dieses problematischen Belastungszeugen durch einen Aussagepsychologen begutachten zu lassen. Auch das hatten Georg und Rick mit der Revision beanstandet.

Wenn er joggt, wird er von seiner privaten Prätorianergarde begleitet

Die neue Vorsitzende Heike Will wollte die Aussage des Knastzeugen … [M.] daher noch vor der neuen Hauptverhandlung gutachterlich überprüft wissen. Ihre Wahl fiel auf Max Steller, der zu den renommiertesten deutschen Rechtspsychologen zählt. Der Berliner Professor hat sich inzwischen die polizeiliche Videoaufzeichnung der belastenden Aussage des Zeugen … [M.] angesehen und auch die umfangreichen Gerichtsakten über ihn gelesen: Nicht nur seine Opfer hatte dieser wegen zahlreicher Sexualdelikte verurteilte Zeuge bereits belogen und manipuliert, sondern immer wieder auch Behörden und Gerichte.

In einem 42-seitigen Gutachten kam Steller im Juni zu dem Schluss, dass ein Erlebnishintergrund jenes angeblichen Geständnisses, das … [M.] im Untersuchungsgefängnis von … [T.] entgegengenommen haben will, nicht nachgewiesen werden kann. Der Professor hält eine bewusste Falschaussage des Belastungszeugen, der an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leidet, für möglich. … [M.] habe sich nach eigenen Angaben von einer Beschuldigung seines Mithäftlings … [T.] persönliche Vorteile versprochen.

Außerdem behauptete er, zuallererst einem Gefängnisbediensteten von … [T.s] angeblichem Geständnis berichtet zu haben, noch vor dem eigenen Rechtsanwalt, den Ermittlern und dem Gericht. Der Beamte hat diese Behauptung gegenüber der Polizei bestritten: Er wisse nichts von einer Beichte, die … [T.] gegenüber … [M.] abgelegt haben soll. Trifft das zu, hat … [M.], dessen Geständnisbericht ohnehin nicht über Zeitungswissen hinausging, von Anfang an gelogen. Der Sachverständige zeigt sich in seinem Gutachten irritiert darüber, dass dieser für die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen so wesentliche Widerspruch im aufgehobenen Urteil keine Rolle spielt. Der Justizvollzugsbeamte war im Prozess gegen … [T.] nicht einmal als Zeuge geladen worden. Offenbar wollte man … [M.s] belastende Aussage nicht hinterfragen.

Kurz nach dem Eingang des Gutachtens hob das Landgericht Traunstein den Haftbefehl gegen Sebastian … [T.] auf, da nun kein dringender Tatverdacht mehr bestand. Er wurde aus dem Gefängnis entlassen. Und so kommt es, dass er an diesem Tag Ende Juli in Aschau gleichmütig im Stimmengewirr seiner Familie sitzen kann. Seine Erzählungen vom Gefängnis sind stockend und ohne Anklage: Er habe sich „integriert“, sagt er zur ZEIT, und mit jedermann „gut verstanden“. … [T.] wirkt wie eine Art Forrest Gump. All den Stress, den Groll und die Verzweiflung seiner Angehörigen scheint er nicht mitzubekommen oder nicht an sich heranzulassen.

Mittlerweile joggt er auch wieder leidenschaftlich – aber jetzt nicht mehr allein. Seine Mutter, seine Cousinen oder Tanten begleiten ihn stets auf dem Fahrrad oder wechseln sich nach einem Teil der Laufstrecke ab, weil keine das Rennen so lange durchhält wie er. … [T.] darf auch nicht allein auf die Straße und nicht allein zum Einkaufen. Er ist umgeben von seiner ganz privaten Prätorianergarde, die stets besorgt ist, dass jemand diesem schwächsten Mitglied der Familie eine Falle stellen oder etwas Neues anhängen könnte.

Wenn Partys in der Aschauer Disco steigen, muss Sebastian seine Fitnessuhr die ganze Nacht hindurch tragen, weil sie nicht nur seine Vitalfunktionen dokumentiert, sondern auch seinen Standort. Niemand soll später behaupten können, Sebastian sei es gewesen, wenn irgendwo eine Person zu Schaden kommt.

So ist Sebastian … [T.] auf eine Art immer noch im Gefängnis. Und alle … [T.s] hoffen, dass das nach der neuen Hauptverhandlung vorbei sein wird.

Zeit online am 30.07.2025
https://www.zeit.de/2025/32/eiskeller-p ... traunstein
andi55
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Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

Ungelesener Beitrag von andi55 »

Etwas anderes war nicht zu erwarten ! Ich hab's am 20.Juni bereits geschrieben, dass Sebastian im Knast wohl sicherer gewesen wäre als in Aschau.
Und wenn die Familie erwartet, das würde sich nach einem eventuellen Freispruch ändern, dann ist das absolut realitätsfremd. Vermutlich würde sich nach einem Freispruch sogar ein Betrieb finden um eine neue Ausbildung zu starten, aber Sebastian wird niemals von Kollegen im Chiemgau integriert werden.
Selbst wenn sich verspätet noch Zeugen melden würden, die gesehen haben wie Frau W. selbstverschuldet in den Bach geraten ist, in der Region wird immer Sebastian der Mörder bleiben. Die Familie wird nicht drum herum kommen nach einer Lösung zu suchen, Aschau ist es jedenfalls nicht.
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Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

Ungelesener Beitrag von andi55 »

In dem Artikel der "Zeit" war die Anzeige gegen Frau wieder Thema. Nebenkläger sind ja meist Angehörige. Hätten die Nebenkläger, die Möglichkeit gehabt bei Gericht zu beantragen, dass keine Bilder ihrer Tochter öffentlich im Gerichtssaal, wildfremden Menschen gezeigt werden, sprich den Menschen auf den Zuschauerrängen ? Hätte es nicht genügt, dass sämtlich Prozessbeteiligten die Bilder zur Ansicht bekommen ? NIEMALS würde ich wollen, dass mein verstorbener Angehöriger öffentlich zur Schau gestellt wird, egal aus welchen Grünen. Ich komm da immer noch nicht so ganz klar, dass wildfremden Besuchern des Gerichtssaals diese Bilder gezeigt wurden und man wiederum ein Anzeige kassiert, wenn man die Bilder an Wissenschaftler schickt.
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Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

Ungelesener Beitrag von Catch22 »

andi55 hat geschrieben: Freitag, 01. August 2025, 01:00:12 … Hätten die Nebenkläger, die Möglichkeit gehabt bei Gericht zu beantragen, dass keine Bilder ihrer Tochter öffentlich … gezeigt werden …? …
Bilder von der Obduktion der Toten nur den Prozessbeteiligten zugänglich zu machen, käme einem diesbezüglichen Ausschluss der Öffentlichkeit gleich. Nur unter sehr engen Voraussetzungen ist dies erlaubt. Dabei sind die schutzwürdigen Interessen des Verletzten gegenüber dem Interesse an der öffentlichen Erörterung abzuwägen (§ 171b Abs. 1 Satz 1 und 2 GVG).

Die Öffentlichkeit des Verfahrens dient der Transparenz und der Kontrolle der Justiz – und damit allen Prozessbeteiligten. Wird gegen den rechtsstaatlichen Öffentlichkeitsgrundsatz verstoßen, liegt darin ein absoluter Revisionsgrund (§ 338 Nr. 6 StPO), der das gesamte Verfahren zu Fall bringt.

Bei der vorgenannten Güterabwägung überwiegt das Recht des Angeklagten auf Transparenz das Interesse der Toten. Deswegen ist die öffentliche Präsentation der Obduktionsbilder im Sitzungssaal von den Hinterbliebenen hinzunehmen.

Wie anders als durch öffentliche Präsentation auch von Bildmaterial sollten der Öffentlichkeit bestimmte, für das Verfahren ganz entscheidende Details einzelner Verletzungen zugänglich gemacht werden? Prominentestes Beispiel dürfte nach unserem derzeitigen Kenntnisstand die Form der Kopfverletzungen sein, deren Besonderheit sich mit Worten kaum beschreiben lässt, die im Interesse des Angeklagten aber geradezu nach Transparenz und Öffentlichkeit schreit:

Spoiler – hier klicken!

andi55 hat geschrieben: Freitag, 01. August 2025, 01:00:12 … und man wiederum eine Anzeige kassiert, wenn man die Bilder an Wissenschaftler schickt.
Die Strafanzeige gegen RAin Rick aus Holderles plumpem PR-Repertoire läuft ins Leere. Denn hier gilt das zuvor Gesagte erst recht: Ganz erheblich überwiegt das Recht des Angeklagten auf Verteidigung die schutzwürdigen Interessen der Toten. Selbstverständlich darf die Verteidigung eine weitere rechtsmedizinische Expertise einholen und zu diesem Zweck das Obduktionsgutachten an eine fachlich berufene Stelle (hier: Klaus Püschel) weiterreichen ohne zu riskieren, dafür bei Wasser und Brot eingekerkert zu werden.

andi55 hat geschrieben: Donnerstag, 31. Juli 2025, 00:10:38 … dass Sebastian im Knast wohl sicherer gewesen wäre als in Aschau. … Die Familie wird nicht drum herum kommen nach einer Lösung zu suchen, Aschau ist es jedenfalls nicht.
Dieser Auffassung schließe ich mich voll und ganz an. Schlussendlich aber ist es die ganz persönliche und freie Entscheidung Sebastians und seiner Familie. Standhaftigkeit zu zeigen und dem Pöbel aufrecht die Stirn zu bieten, ist auch eine Tugend, der ich großen Respekt zolle. Von Herzen wünsche ich ihnen ein dickes Fell, starke Nerven, Langmut – und Erfolg!
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