scullyX hat geschrieben: ↑Donnerstag, 07. Juli 2022, 19:51:16
..also erscheint mir der Zeitpunkt der Sms noch immer reichlich spät..
Genau hier liegt mMn ein Denkfehler - also ganz unabhängig von irgendeinem personenbezogenen spekulativen Szenario.
- Frauke WAR nunmal Mi 0.49 Uhr in Nieheim.
Die theoretische Variante, sie habe sich woanders aufgehalten, während ein Täter mit dem Handy nach Nieheim fuhr, um die SMS abzusetzen, ist aus mehreren Gründen völlig unwahrscheinlich. (Führe ich gern nochmal aus, wenns wer hören will...)
- Frauke HATTE nunmal zunächst nicht die Möglichkeit, Chris zu informieren, wegen ihrem leeren Handyakku.
Dass hier eine Lademöglichkeit (220V Steckdose, 12V Zigarettenanzünder, oder aber einen "Leihakku" - geeignete Powerbank war damals nicht auf dem Markt oder zumindest null verbreitet)) gegeben haben muss, gilt für jedes(!) Szenario und spricht nicht für oder gegen eine authentische (selbstbestimmte) SMS von Frauke. Die Möglichkeit eines "erholten" Handyakkus: Dass sich das Gerät nochmal anschalten lässt, gegeben. Dass der Akku dann beim Senden (hohe Betriebsleistung) die nötige Betriebsspannung aufrecht erhalten kann, nachdem er zuvor im Betrieb schlappgemacht hatte, ziemlich ausgeschlossen. Das insbesondere, falls sie es zu einem früheren Zeitpunkt schonmal erfolglos versucht haben sollte.
Der Zeitpunkt der SMS also eine zwangsläufige Folge der Situation, und damit eben nicht per se sonderbar.
Ob man von Frauke in der Situation (Uhrzeit, wartender Chris) eine ausführliche Erklärung, eine konkrete Uhrzeit (eine solche hätte sie dazu zu dem Zeitpunkt vorhersehen können müssen) oder eher einen Anruf statt SMS hätte erwarten können - da wird mMn die Darstellung der soo zuverlässigen Frauke zu kategorisch übernommen, die Äußerung von Chris "war etwas verärgert" in ein "Frauke hätte nie..." umgedeutet, vielleicht spielt in der Vorstellung mit, welches Verhalten man sich von seiner eigenen Tochter wünschen würde, oder man betrachtet die Situation zu holzschnittartig, in etwa: Wenn Frauke hier nicht fremdbestimmt in Nieheim war, dann muss es eine "Lust und Laune"-Aktion gewesen sein usw.
Also, Frauke war 0.49 in Nieheim, gut 1,5h nach Verlassen des Pubs. Das heißt nicht, dass sie erst zu dem Zeitpunkt (oder kurz zuvor) dort angekommen sein muss. Dieser Umstand unabhängig davon gültig, ob fremdbestimmt oder nicht.
Es gab zunächst nach Verlassen des Pubs keine Möglichkeit, ihr Handy zu benutzen und Chris früher Bescheid zu geben, später (bis 0.49) gab es jedoch die Möglichkeit, den Akku zu laden oder zu tauschen. Auch dieser Umstand unabhängig davon, ob fremdbestimmt oder nicht.
Hätte sie da Chris eine (uU umständliche) Erklärung schreiben sollen? Wozu?
Hätte sie eine konkrete Uhrzeit benennen sollen? Eine solche hätte sie zu dem Zeitpunkt erstmal benennen können müssen, und auch dann: Wenn die angenommene Rückkehr so oder so noch etwas dauert (allein wegen der Fahrzeit), ist ein "komme später" ohne Zeitangabe in meinen Augen ohne weiteres eine denkbare Äußerung.
Hätte sie anrufen sollen statt SMS? Wenn sie annimmt, dass Chris verärgert sein könnte, jedenfalls Fragen hätte, und sie sich zu dem Zeitpunkt weder erklären kann/will noch vielleicht einen genauen Zeitpunkt der Heimkehr nennen kann, eher nicht. Da sehe ich eine SMS als naheliegender.
Der Punkt ist: Die Irritation über die Situation rührt nicht von der SMS selbst her, sondern von dem Umstand, den sie belegt: Frauke war 0.49 Uhr in Nieheim. Weiters: Ihr Verhalten war in erster Linie auf ihre konkrete Situation bezogen (so oder so), nicht allein auf den mutmaßlich verärgert wartenden Chris. Der hatte in dem Moment nicht die höchste Priorität. Das mag vordergründig irritieren, da wir von Chris´ Erleben wissen und die SMS kennen, jedoch nichts über Fraukes Situation wissen (außer Ort+Zeit). Bei Licht betrachtet ist es jedoch allein die ungewöhnliche, nicht erwartbare und (so oder so) unwahrscheinliche Situation selbst, die irritiert, nicht die SMS.
Die Frage ist, unter welchen Umständen/mit welchen plausiblen Szenarien könnte sie dort hingelangt sein? Hier fehlen leider fast sämtliche Hinweise, lediglich die Beteiligung (mindestens) einer weiteren Person mit Fahrzeug ist alternativlos.
Die SMS natürlich nicht zwingend selbstbestimmt verfasst. Jedoch die Annahme, ein Täter hätte sie zu einer SMS mit diesem Text genötigt bzw. sie selbst verfasst, uA aufgrund des Inhalts/Wortlauts weit irritierender und unplausibler als eine von Frauke selbstbestimmt verfasste SMS in diesem Wortlaut. Wie gesagt, Ort und Zeit waren situativ "gesetzt", völlig unabhängig von der SMS.
Natürlich macht die Frage, unter welchen Umständen Frauke selbstbestimmt um 0.49 Uhr in Nieheim gewesen sein sollte, etwas ratlos. Also nicht, dass man nicht grundsätzlich Anlässe/Motivationen für eine solche spontane Aktion annehmen könnte - aber Frauke hatte zunächst vor, nach dem Spiel heimzugehen, hat dies Chris etwa gegen Spielbeginn zugesagt (wegen des Schlüssels mit gewisser Verbindlichkeit). Von einem Austausch während des Pub-Aufenthalts neben dem Chat mit Niels ist nichts bekannt, Isabella berichtet nicht von einem Telefonat/SMS mit einer weiteren Person, und Fraukes Handykontakte des Abends wurden mit Sicherheit dahingehend überprüft. Auch ein Zusammentreffen+Verabredung mit einem anderen Pubbesucher schließt Isabella explizit aus, hier sehe ich eine gewisse Restunsicherheit. Frauke verlässt laut Isabella den Pub kurz nach 23 Uhr mit dem erklärten Ziel, nach Hause zu gehen. Frauke hat sich nach dem Verlassen des Pubs nicht spontan anderweitig verabredet, kein Anruf/SMS empfangen (leerer Akku, Handydaten).
- Hatte sie doch eine mögliche Anschlussunternehmung parat, von der die anderen nichts wussten und die sie zunächst (bei Absprache mit Chris gegen 21 Uhr) gar nicht vorhatte wahrzunehmen? Etwas, wozu sie sich dann beim/nach Verlassen des Pubs spontan doch entschieden hat? (Bei Entscheidung vorher hätte sie wohl zumindest Chris eine Nachricht geschickt, ggf. mit Isabellas Akku.) Etwas, wozu keine Zusage/Verabredung vorab nötig war, wo sie einfach hingehen konnte? Allzu zeitlich ausgedehnt wäre das in ihrer Vorstellung wohl eher nicht gewesen wegen dem wartenden Chris, andernfalls hätte sie auch erstmal zu Hause den Schlüssel holen können, dann ggf. das eigene Auto nehmen (gehörte das ihr oder Chris? Die beiden hatten jedenfalls ein Auto in gemeinsamer Benutzung.) Insgesamt ein ziemlich unwahrscheinliches Szenario, aber nicht eindeutig widerlegt.
Als Beispiel: Sie weiß von jemandem, der z.B. anderswo das Spiel angeschaut hat (auch public viewing) und entscheidet sich spontan, dort vorbeizuschauen, um die Person noch kurz(?) zu treffen. Zu dem Zeitpunkt nur als kurzer Abstecher geplant und nicht im Widerspruch zum wartenden Chris, entwickelt sich daraus eine größere Unternehmung.
- Ist Frauke auf dem Heimweg zufällig jemand Bekanntem begegnet und hat sich spontan angeschlossen bzw. zu einer Aktion überreden lassen? War das Zusammentreffen wirklich zufällig oder wurde sie geplant abgepasst?
- Ist Frauke möglicherweise zu einem Fremden ins Auto gestiegen, wurde zum Zufallsopfer? "Würde sie nie machen" klingt plausibel, aber es gibt für alles (mögliche) Gründe... Frauke knickt auf dem Heimweg um, verstaucht sich den Fuß und fragt jemanden an der Straße mit Auto, ob er sie heimfahren kann, "ist nicht weit". Wäre sehr "frauketypisches" Verhalten, meine ich - offen, kommunikativ, eher optimistisch als misstrauisch.
Klingt natürlich vordergründig unwahrscheinlich - umgeknickter Fuß und der Fahrer zufällig ein Entführer. Aber das ist nunmal das Wahrnehmungsparadox bei Zufallsopfern, die Frage "Warum gerade sie, warum gerade dieses Geschehen?". Wäre es nicht Frauke mit einem umgeknickten Fuß gewesen, dann würden wir (in dem spekulativen Szenario) hier halt über eine andere junge Frau aus PB reden, die an diesem Abend (oder auch in den Tagen davor oder danach) nach dem Discobesuch kein Geld mehr fürs Taxi hatte und bei jemandem mitgefahren ist, oder so - und uns genauso die irreführende Frage stellen "Warum gerade sie?"
- Oder wurde Frauke unterwegs abgegriffen und zum Mitfahren genötigt? Zufallsopfer oder gerade sie abgepasst, fremder oder bekannter Täter? Klingt für sich erstmal am wahrscheinlichsten, wirft dann aber Irritationen auf sowohl bei der SMS aus Nieheim als auch beim weiteren Verlauf (Anrufe).
Jedenfalls, die Überlegungen/Annahmen zum Geschehen
vor 0.49 Uhr als "Deutungsschablone" für die SMS zu nutzen, mag zwar die SMS in ein anderes Licht rücken (täterbestimmte SMS). Dies ist jedoch nicht reversibel, d.h. deutet dann nicht "rückwärts" per se auf einen Zwangskontext hin, sondern ist nur eine Folge abhängig von einer ebensolchen Annahme.