@papayapapaya hat geschrieben: ↑Dienstag, 08. November 2022, 10:24:36 Liebe @Widasedumi,
Wir sind uns ja völlig einig, dass vielfältige Erklärungsversuche die Diskussion bereichern und es überhaupt nicht schadet, wenn es verschiedene Lager gibt, die unterschiedliche Meinungen haben.
Aber bei allem Respekt, was ist an der Geigentheorie "überragend", wenn man nur weiß, dass die L eine Geige im Camper hatten, nach dem Mord diese oder auch eine andere Geige im Camper war und der gesamte Tathergang von dieser Theorie genauso wenig erklärt wird wie bei Raubmord, Sex, organisiertem Verbrechen, Geheimdienst oder sonstigen Ansätzen?
Selbst wenn die Geigentheorie plus, wie ich das nennen mag, mit dem jüdischen Hintergrund stimmen würde, was unwahrscheinlich genug ist, könnten die Erben das Instrument einfach zurückfordern und hätten es freiwillig oder gerichtlich auch bekommen.
Wenn da nicht die Fahrgestellnummer wäre, könnte man mit vergleichbar starken Argumenten genauso gut postulieren, der Camper sei getauscht und die Nummernschilder ummontiert worden.
Deine berechtigte Frage kann ich nicht mit 1., 2., 3., beantworten. Es geht nicht alles eindimensional und analytisch. Immer ist alles gleichzeitig, weil das Ganze mehr ist, als die Summe seiner Teile. Alte Lehrer haben aus der Lebenserfahrung manche praktische Weisheit, und so hat mal ein solcher alte Lehrer gesagt: Wenn du mit einem Gewehr im Wald bist und triffst auf Wölfe, und es kommt immer einer nach dem andern. Die kannst du hintereinander abknallen und überlebst. Kommen die Wölfe aber auf einmal, nützt dir das Gewehr nichts zum Überleben. Also das Ganze ist mehr, als die Summe seiner Teile. Man braucht Gespür und Intuition und muss durchprobieren. Hier war es schwierig, weil das Motiv nicht klar war. Im HET war zwar die Geige auch erörtert worden, aber mehr im Zusammenhang mit Fahrwegen und Strecken. Ich setze immer am Motiv an, und welcher Nutzen der Mord für den Täter hatte? Wenn man so eine Diskussion verfolgt, dann kommen viele logische Argumente, z.B. warum es keine Zufallstat sein kann, oder warum es vor dem Hölzl bereits ein Treffen gegeben haben muss. Diese Punkte allein bringen nicht weiter, sind aber wichtig für das Ganze später. Nichts wegschmeißen, was mit Logik zu tun hat. Dagegen Unmögliches, wie Sex am Waldrand sofort wegschmeißen, das ist eine Einschätzung, dass das hier nicht passt. Was hier fix war, war, dass das Wegfahren einen Sinn gehabt haben muss. Einfacher Raub wegen Geldes passte nicht. Für Rauschgift gab es keinen vernünftigen Anhaltspunkt. Mit Mafia könnte es zu tun gehabt haben, aber es fehlte eine Geschichte. Die Geige spielte keine Rolle für ein Raubmotiv, erst als BvB ermordet wurde. Dann hatte man mit einem Schlag passende Punkte, nämlich: Es muss was mit Geige zu tun haben. Die Gegend passt zu Geige. Das Wegfahren sollte genau dieses nicht erkennen lassen können. Und beim BvB war ein Mordmotiv teure Geigen. 4 Treffer, aber noch keine Geschichte. Dann muss man rumprobieren und es ist logisch, dass die Täter gewusst haben mussten, dass in dem Camper etwas Wertvolles war, das den Besitzern das Leben kostete. Es ist nicht schwer, dann auf die Geige zu kommen. Die Geschichte braucht eine teure Geige als Motiv. Und diese wurde geraubt. Etwas anderes geht nicht. Rauschgift und Sex waren damit out. Die Passung macht die Wahrscheinlichkeit. Und die Geige passte. Nun war es Fakt, dass das Wegfahren der Verschleierung gedient haben muss. Das bestätigte die Geigenthematik. Damit man aber nicht auf einen Geigenraub kommt, musste unbedingt eine Ersatzgeige in den Camper gelegt werden. Dieser Trick hatte wohl 2 Jahrzehnte die Ermittlerköpfe geblendet. Aber als irgendeiner diese phänomenale Idee hatte, gings dann fast wie von selbst. Es passte das logische Argument aus einem ganz anderen Theorieansatz, dass die Ls mit den Mördern vor der Erschießung schon mal Kontakt gehabt haben mussten. Nun hatte man das Gerüst: Die Ls hatten eine teure Geige, sie fuhren in den Chiemgau. Sie zeigten sie einem Geigenkenner. Das war ein Krimineller. Er beschloss einen Raubmord und lotste die Ls zum abgelegenen Hölzl. Zu seinem Plan gehörte das Wegfahren des Campmobils und das Anzünden. Das ist die Geschichte. In diese Geschichte muss alles weitere passen, und es erhält seine Wahrscheinlichkeit durch die Passung in die Geschichte. Durch B.v.B. Niederland-Kontakte könnte Siegsdorf von den Ls angefahren worden sein. Passte. Der Mörder muss zur Gegend Nußdorf einen Bezug gehabt haben. Das passte wegen seiner Taxirückfahrt. @Catch22 hat ausführlich und logisch schlüssig das Nachtatverhalten erklärt. Es machte Sinn. Dann kam die Info mit Langendonk Ehrung Holocaust. Hier war eine Theorieergänzung möglich, wenn auch nicht sicher beweisbar. Tut aber der Hauptsache keinen Abbruch. Das Verbrechen ist nicht langfristig geplant gewesen, sondern wurde am Tag der Geigenvorstellung bei dem kriminellen Sachverständigen spontan geplant.
Es ist also eine fallspezifische Entwicklung, wo sich im Prozess selbst über das Motiv und das Raubobjekt herausgeschält hat, woher der oder die Täter stammen müssen, dass sie deshalb das Fahrzeug wegfuhren, um keinen Verdacht auf sich zu lenken. Das allein war die halbe Miete, und zwar unerschütterlich, weil die Absicht der Langendonks, die Aufenthaltsgegend, die Sachverständigen, der Raubgegenstand und das Verschleiern der Gegend durch Wegfahren zusammen passte. Es war ein passendes Gerüst.
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- Es braucht Intuition und Gespür
- Die Fakten der Tat geben den Rahmen, in den man eine mögliche Geschichte einpassen muss.
- Das Ganze ist mehr, als die Summe seiner Teile.
- Die Wahrscheinlichkeit, dass die eingefügten Annahmen so erfolgt sein müssen, ergibt sich aus der Passung in das Faktengefüge.
- Das Ganze ist, dass alles mit allem zusammenhängt und zusammen passt.
- Das Ganze hat nicht mehr als nur hypothetischen Charakter.
- Es ist natürlich eine subjektive Entscheidung, diese Theorie zu akzeptieren oder nicht.
- Wird dieses Modell nicht akzeptiert, erwarte ich ein plausibleres Gegenmodell, welches bezogen auf Motiv, Tat und Nachtat ebenso viel erklären kann.