Jurist hat geschrieben: ↑Donnerstag, 07. Dezember 2023, 21:24:14
Danke! Das nenne ich mal eine sachliche und aufgeräumte Zusammenfassung des bisherigen Prozessgeschehens. Natürlich gibt es beim ein oder anderen Punkt noch Details zu klären, u.a. beim Täterwissen, da hier die Aussagen der Schwestern und die Geodaten der Handys und die Webcam-Aufnahmen auf dem Parkplatz erstaunlich inkongruent sind. Für mich ist die Aussage des Angeklagten bei der polizeilichen Vernehmung auf die Frage, wie denn das Opfer zu Tode gekommen sein könnte, von wichtiger Bedeutung. Dort sagte er sinngemäß, der Täter werde ihr wohl einen Stein über den Kopf gehauen haben. Erstaunlicherweise passen die Kopfverletzungen sehr stark zu diesem Tathergang. Es wird sich auch durch ein biomechanisches Gutachten nicht wegdiskutieren lassen, dass die Verletzungen die Folge eines tätlichen Angriffs sind.
Wie in solchen Fällen üblich nehmen sich einige Kommentatoren sehr wichtig und glauben, einen Justizskandal gegen einen Unschuldigen herbeischreiben zu müssen. Da werden mit absurden Begründungen die Kompetenzen der Pflichtverteidiger und des Staatsanwalts in Frage gestellt. Fachlich, sachlich und nüchtern betrachtet kann man das alles ganz gelassen als Unsinn bezeichnen. Leider muss ich das so klar sagen.
Das bisher zurückhaltende Auftreten der Pflichtverteidiger hat seinen Grund nicht in mangelnder Kompetenz oder mangelndem Engagement. Davon dürfen wir alle getrost ausgehen. Im Gegensatz zu Frau Rick werden sie die Ermittlungsakten von vorne bis hinten gelesen haben und schnell erkannt haben, dass die Indizienlage für den Angeklagten erdrückend ist. Es kann also taktisch nur darum gehen, die Mordmerkmale des §211 StGB oder die Schuldfähigkeit des Angeklagten in Zweifel zu ziehen, um so Einfluss auf die Strafzumessung zu nehmen. Dies hat Herr Baumgärtl ja schon vor Prozessbeginn angedeutet.
Und nun kommt Frau Rick ins Spiel. Sie kommt mit der Trophäe eines erfolgreich bestrittenen Wiederaufnahmeverfahrens, was in der Praxis in der Tat selten vorkommt. Die Eltern des Angeklagten verpflichten sie und erhoffen sich einiges von ihr. Sie muss also liefern, denn sie bekommt schließlich Geld dafür und das nicht zu knapp. Sie kann sich in der kurzen Zeit noch nicht mit allen Einzelheiten des Falls vertraut gemacht haben, muss aber nun in dem Prozess irgendwas veranstalten. Was macht eine vermeintliche "Staranwältin" in solch einem Fall? Sie beginnt einen medienwirksamen Konfrontations- und Provokationskurs und schaltet auf psychologische Kriegsführung. Dass sie diesen Grenditzki oder wie der heißt heute anschleppt, ist als klare Provokation zu werten. Ebenso ihr heutiges Statement, das in vielen Medien erscheinen wird, welches aber zurückhaltend ausgedrückt sehr lückenhaft ist und einige steile Thesen beinhaltet, mit denen sie meiner Meinung nach baden gehen wird. Ok, sie mag dieses Getue als ihren Job betrachten, aber für die Eltern und Verwandten ist das schlicht und ergreifend entwürdigend. Ich hoffe, dass der sehr seriös auftretende Nebenklägeranwalt Holderle den Eltern von Hanna diesen Zirkus gut erklären kann. Ich glaube auch nicht, dass die anderen Prozessbeteiligten sich durch den Rick-Firlefanz von der Sache ablenken lassen.
Ich bin übrigens sehr gespannt auf das psychologische Gutachten über den Angeklagten gespannt, dass ja auch noch aussteht.
"Das bisher zurückhaltende Auftreten der Pflichtverteidiger hat seinen Grund nicht in mangelnder Kompetenz oder mangelndem Engagement. Davon dürfen wir alle getrost ausgehen."
--> Anwälten denen es Scheissegal ist, wie der Angeklagte in der Presse vorverurteilt wird, wie Lächerlichkeiten breit getreten werden, deren Arroganz gegenüber dem eigenen Mandanten sogar von der Ferne derart "spürbar" wird (siehe Kommunikationsverhalten Angeklagter/Rick vs. Nichtkommunikation Angeklagter/den anderen Kasperln), die bereits im Vorfeld GEGEN den eigenen Mandanten unnötige Inverview-statements abgeben......die nur auf eigene Schadensbegrenzung abzielen - sorry, aber da gehe ich "getrost" von "Beamtigkeit" aus. Juristische Kompetenz ist für mich noch lange keine gute Verteidigung.
- Er war zur Tatzeit am Tatort.
--> Bitte benenne Tatort und Tatzeit. Zu beiden ist mein Kenntnis-Stand bisher: "Keine Ahnung wo ER war" , auch kaum Ahnung wo SIE war, vielleicht am Brückchen, oder doch Parkplatz ? Irgendwo in einer Handyzelle ?
- Der Verlauf und die Dauer des vom TV angegebenen nächtlichen Joggens zu dem Zeitpunkt, ist komplett unüblich.
--> Unübliches Verhalten ist ein ganz guter Ermittlungsansatz etwas weiterzuverfolgen. Scheint ja eben gerade das rausgekommen zu sein, was man hört, also praktisch nichts. Ich kenne auch Leute die gehen um solche Zeiten ins Fitnessstudio.
- Er hatte Täterwissen.
--> Bitte benenne das. Sofern Du dich auf die Aussage von Verena beziehst - mittlerweile wird immer klarer, dass dies so nicht gewesen sein kann.
- Er meldet sich nicht freiwillig als Zeuge.
--> Zu zögern sich zu melden ist auch für einen Unschuldigen keineswegs ungewöhnlich.
- Er legt bei verschiedenen Leuten zu verschiedenen Zeitpunkten ein Geständnis ab.
--> Es gibt berechtigte Zweifel, bei diesen Leuten selbst. Das "Geständnis" beschränkte sich jeweils auf einen Satz i.S. von "ich wars". Keine Details, keine Motivation, kein Hergang, keine Erklärung.
- Er ist direkt danach 2 Tage krankgeschrieben.
--> Äh, aha.
- Er hat auffällige Kratzer an den Unterarmen.
--> Äh, aha.
- Er bringt das falsche Jogging-Outfit zur Tatvernehmung.
--> Wodurch belegt, dass diese "falsch" waren ?
- Sein Verhalten danach ist komplett anders und seltsam?
--> Äh, aha.
- Er schweigt seitdem. Ebenso seine gesamte Familie. Nicht mal irgendwelche Aussagen zur Entlastung seitens seiner Familie.
--> Schweigen ist sein gutes Recht. Ich habe das zunächst auch sehr kritisch gesehen, hätte aber nie erwartet dass die Anklage sich gerade dermaßen lächerlich selbst in Luft auflöst. Es gibt daher auch immer weniger Grund um seine Unschuld "zu kämpfen" und sich vielmehr eine Aussage ggf. als letztes Wort aufzuheben. Ich erwarte ab einen gewissen Stand einen Widerruf, bzw. eine Klärung seiner "Geständnisse" als Dummheit, wenn diese am Schluss noch als einziges im Raum steht und ein Freispruch erwartbar werden sollte.
- Die Verletzungen, die Hanna erlitten hat, sind höchstwahrscheinlich mit massiver Gewalteinwirkung durch einen tätlichen Angriff entstanden und können relativ gut mit einem Angriffsverhalten erklärt werden.
--> Mutmaßung. Zumindest die Darlegung der Prozessbeobachter lieferte für mich ein Bild eines blamablen Auftritts Biomechanik und Rechtsmedizin. Mehr als ein "könnte sein" konnte ich da nicht raushören. Zitat Prof. Verhoff: "Wie stumpfe Gewalt zustande gekommen ist, ist selten eindeutig belegbar und es gibt nicht die eine lesart"
- Die Rekonstruktion der Tatzeiten passen perfekt und ermöglichen die Tat zeitlich passend zur Annahme der Gewalteinwirkung.
--> Bitte lege die Tatzeit konkret fest. Was sind "Tatzeiten". Es gibt keine Information über "Tatzeiten". Es gibt Information über Videoaufzeichnung, Anrufe, GPS etc.
- Es gibt Beobachtungen bzgl. eines Schreies passend zu kurzem Todeskampf exakt zum Tatzeitpunkt.
--> Wer sagt dass es einen "Todeskampf" gab. Ja eben gerade nicht. Alle scheinen eher verwundert dass es eben KEINE Abwehr- und Kampfmerkmale gab. Schreien kann ich auch wenn ich abrutsche und abstürze.
- Er sitzt über ein Jahr in U-Haft ohne sich in irgendeiner Weise mit einer Aussage oder sonst was dagegen zu wehren. Ein Jahr in Haft in der Hoffnung, dass dann in der Verhandlung nichts eindeutig bewiesen werden kann?
--> Man wird davon ausgehen können, dass dies auf anwaltlichen Rat geschieht, und sich dies momentan als eher kluge Entscheidung erweist.
Fazit:
Motiv nicht belegt. Tatwerkzeug unbekannt. Tatort unbekannt. Verletzungsmerkmale uneindeutig. Tatrekonstruktion nicht möglich. Keine Spuren. Tatzeit allenfalls grob eingrenzbar. Zeugenaussagen entweder widersprüchlich oder für den eigenen Vorteil.
Ergo: Nichts.