beyourselftonite hat geschrieben: ↑Donnerstag, 04. September 2025, 23:46:08
Ich würde den „Dulli“-Gedanken nicht gleich verwerfen. Spurenlosigkeit und Rationalität müssen nicht zwingend Hand in Hand gehen. Es gibt auch Szenarien, in denen ein unvorbereiteter Täter durch banales Glück, durch die Passivität des Opfers oder schlicht durch eine Verkettung von Umständen lange unauffällig bleibt. Wir unterschätzen oft, wie „robust“ Unauffälligkeit sein kann, gerade wenn Polizei und Öffentlichkeit nicht die entscheidenden Ansatzpunkte finden.
Auch das Verbergen an einem Ort muss nicht zwingend hochgradig raffiniert gewesen sein. Ein unscheinbarer Keller, eine geschlossene Tür, Nachbarn, die nicht hinhören – schon ist es möglich, eine Woche lang unbemerkt zu bleiben. Rückblickend erscheint uns das unplausibel, weil wir die Tragweite kennen. In der Situation selbst kann es für Außenstehende vollkommen unsichtbar bleiben.
Für mich liegt die Stärke von HP1s Einwurf darin, den Blick auf die Möglichkeit der Improvisation zu lenken. Ein Täter muss nicht alles „durchdacht“ haben, um im Nachhinein wie ein Mastermind zu wirken. Es reicht manchmal, dass er nicht den einen entscheidenden Fehler macht, der ihn verrät. Und das kann auch schlicht Zufall sein.
Dem kann ich auch erstmal so zustimmen mit einer kleinen zusätzlichen Anmerkung: meine Nachbarn sind tatsächlich die, die ich am seltensten sehe noch würde ich ihnen eine solche Tat zutrauen. Eine junge Frau, die Mal ein paar Tage nicht nach Hause kommt, sich aber persönlich meldet- da würde ich jetzt auch nicht gleich anfangen meine Nachbarn und Bekannten auszuspähen oder mir zu notieren wann wer das Haus verlässt und wegfährt. Dass dies also niemandem aufgefallen ist, wundert mich nicht, zumal wir die Wohnsituation des Täters oder die Lage des Festhalteortes nicht kennen. Ebenso nicht wie seine täglichen Gewohnheiten. Interessant ist doch wie er Frauke überhaupt zu Beginn der Tat unter seine Kontrolle bringen konnte für den Fall, das er keinerlei Vorbereitung hatte. Interessant auch zudem, wie er so schnell mit einem Gewerbegebiet auf die Bekanntgabe der Nieheim-SMS reagierte, wenn er sich vorher dort nicht aus kannte und nie dort war. Man hätte genauso gut ein Waldstück anfahren können oder eine andere ländliche Umgebung außerhalb von Paderborn. Interessant auch, wie im Falle einer ungeplanten Tat und einer Sedierung des Opfers das Herbeischaffen solcher Substanz erfolgte. Ist nicht alles ohne Rezept oder Dealer möglich. Dann das Telefon als Tatmittel: warum tägliche Anrufe? Warum nicht ein Wechsel aus Anruf und SMS und somit eine Risikominimierung? Warum dieser teils absurde Gesprächsinhalt? Vom Täter vorgegeben? Tatmittel so gewählt weil auch der Täter ein kommunikativer Mensch ist, der geübt am Telefon ist? Oder weil es Fraukes Charakteristika entsprach? Weil SIE ihn überzeugen konnte, Anrufe seien die Beste Option? Dazu fehlt laut Frau Liebs die Einschätzung in der OFA. Weder der Gesprächsinhalt noch Fraukes Verfassung währenddessen wurden berücksichtigt. Dabei wäre doch gerade die Einschätzung dazu wertvoll. Haben wir es mit einem kommunikativen Täter zu tun, der bewusst dieses außergewöhnliche Vorgehen mit den Anrufen wählte oder war es Frauke die ihm kommunikativ überlegen war und ihm und sich versuchte aus der Patsche zu helfen in der Hoffnung auf einen guten Ausgang? Wirken die Anrufe eher wie ein Teil seines Machtspielchens oder wollte er einfach nur glaubhaft und ohne Zweifel eine lebende Frauke präsentieren die schon wieder nach Hause kommt und der es gut geht bis er eine Lösung für die Situation gefunden hat? Das dies so wenig Beachtung gefunden hat, erschließt sich mir nicht. Denn es ist eben genau dieses Vorgehen, was den Fall so einzigartig macht.
Anmerkung: ich Stelle Grad fest, ich hab falsch zitiert. Meine Antwort galt glaub ich Hamburger. Sorry.